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Beiss mich - Roman

Beiss mich - Roman

Titel: Beiss mich - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Voeller
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es in mir drin angerichtet hatte.
    Dann spuckte ich den widerlich nassen Lappen aus. Als ich sah, was für ein Lappen das war, wäre ich fast ohnmächtig geworden. Es war ein ziemlich großes Stück Zunge, in der ein paar Zentimeter silbriger Draht von meiner Zahnspange steckten, wie ein exotisches Piercing.
    »O Gott«, keuchte ich. »Oh, mein Gott! Ich habe ihm die Zunge abgebissen! Oh, was für eine Scheiße!«
    Ob er das überlebt hatte?
    Ich krabbelte um ihn herum. Hatte er nicht. Vor ihm breitete sich eine Pfütze von Blut aus, das an den Rändern bereits geronnen war.
    »Oh, mein Gott!«, stöhnte ich. »Ich habe ihn umgebracht!«
    Es gab nichts daran zu deuteln. Ich hatte ihm die Zunge abgebissen, und weil ich dann schon dabei war, hatte ich auch gleich seine Halsschlagader aufgerissen und sein Blut getrunken. Seine Kehle war eine einzige zerfleischte Masse.
    Wenn er nicht versucht hätte, mich zu vergewaltigen, hätte ich vielleicht genügend Konzentration aufgebracht, um die Vene zu erwischen, dann hätte er eine gute Chance gehabt, durchzukommen – natürlich ohne Zunge, aber doch immerhin.
    Während ich noch hinsah, stieg Luft in meiner Speiseröhre hoch, und im nächsten Augenblick, ich wollte es gar nicht glauben, entwich mir ein gewaltiger Rülpser.
    »O Gott!«, jammerte ich, aber es klang schon etwas halbherziger als vorhin. Abgesehen von dem entsetzlichen Schmerz in meiner Seite hatte ich mich seit Wochen nicht so zufrieden gefühlt. So … satt!
    Ich hatte es getan, oder besser: mein Es. Mein tiefdunkles Es, rabenschwarz, böse und unersättlich, hatte meinem Ich und meinem Über-Ich einen harten Tritt verpasst und sie ins Nirwana befördert.
    Im Grunde war es auch ohne Freudsche Interpretationshilfe ein Kinderspiel, die Ereignisse zu rekonstruieren. Schnabelnase hatte die Zunge verloren, und der Typ mit dem Messer die Nerven. Als er kapiert hatte, was ich mit Schnabelnase anstellte, hatte er, ohne groß nachzudenken, das Messer in mich gerammt, und nachdem ihm klargeworden war, dass ich trotzdem nicht aufhören würde, hatte er sich vom Acker gemacht, bevor ich es ihm auch noch auf diese spezielle Weise besorgen konnte.
    Mühsam stemmte ich mich hoch. Um mich herum drehte sich alles. Von dem Messer breitete sich der Schmerz wellenförmig in meinem Körper aus, und dann muss ich für ein paar Sekunden wieder das Bewusstsein verloren haben, denn als ich das nächste Mal zu mir kam, lag ich flach auf dem Gesicht, und die Reste des Drahtbogens bohrten sich spitz in meine Wangenschleimhaut.
    Wieder zog ich mich hoch, diesmal etwas vorsichtiger. Ich wunderte mich einen Moment lang, weil meine Bluse sich so nass anfühlte, doch dann ging mir auf, dass sie nur so triefte vor Blut. Auch mein Gesicht war feucht, dasselbe galt für mein Haar.
    Ich musste aussehen wie der Schrecken der Nacht persönlich, eine wandelnde Horrorfigur.
    Mir wurde klar, dass mich jeden Moment ein Hausbewohner hier finden konnte, und dann würde ich wirklich in Erklärungsnotstand geraten. Zum Beispiel würde man von mir wissen wollen, warum ein Stück von meiner Zahnspange in Schnabelnases Zunge steckte, die sich zu allem Überfluss nicht mehr in seinem Mund befand, sondern mitten im Waschkeller auf dem Fußboden lag.
    Ich unterdrückte ein Wimmern und robbte hinüber, dann zupfte ich mit spitzen Fingern den Draht aus der Zunge. Es klappte nicht auf Anhieb, weshalb ich mit der einen Hand die Zunge festhalten musste, während ich mit der anderen am Draht zog, bis er endlich herausflutschte. Ich schüttelte mich vor Ekel, doch ich hatte keine Wahl. Schließlich war es meine Schuld. Ich hätte ihm das Ding ja nicht abbeißen müssen.
    Ich ließ den Draht im Kellergully verschwinden, dann kroch ich weiter zur Waschmaschine. Unter schmerzhaften Verrenkungen versuchte ich, mir die Bluse auszuziehen. Als ich begriff, dass es nicht klappen würde, weil das Messer den Stoff gleichsam an meinen Körper genagelt hatte, verlor ich um ein Haar wieder das Bewusstsein. Ich fasste das Heft und zog daran, ganz leicht nur, doch es war schon zu viel. Mir wurde schwarz vor Augen.
    Beim nächsten Versuch zerriss ich die Bluse. Das tat zwar ebenfalls weh, doch es war eindeutig der Weg des geringsten Widerstands. Jetzt konnte ich endlich das klamme Zeug abstreifen. Ich zog den Rock und die Bluse aus, schob beides an Ort und Stelle in die Trommel, gab eine großzügig bemessene Ladung Vollwaschmittel dazu und schaltete den Kochwaschgang ein. Sicher war

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