Beiss mich - Roman
gegangen sind, oder?«
»Was willst du eigentlich?«, fragte Martin. »Ich nehme doch an, du bist mit einem bestimmten Anliegen hier.«
»Ich sagte doch, das können wir alles später ausdiskutieren. Erst mal müssen wir Luzie auf die Beine bringen.«
»Lucia.« Er sagte es auf die italienische Art, genauso, wie er es in jener fiebrigen Silvesternacht so oft in mein Ohr geflüstert hatte, als wir …
Ich schmolz bei der Erinnerung in Gedanken dahin.
»Lucia?«
Er suchte meinen Blick, und mir wurde heiß. »Ja?«
»Bist du bereit?«, fragte er leichthin.
»Keine Ahnung«, behauptete ich.
Er packte das Messer und zog es mit einem Ruck heraus.
Ich schrie auf.
Und verlor mal wieder die Besinnung.
16. Kapitel
A ls ich das nächste Mal wach wurde, befand ich mich in absoluter Dunkelheit. Sogar meine nachtsichtgeschärften Augen schafften es nicht, sich auf die Umgebung zu fokussieren. Es gab keine Schatten, keine Umrisse, nichts. Desorientiert streckte ich eine Hand aus und tastete um mich herum. Ich lag auf etwas Weichem, das war schon mal gut. Es fühlte sich an wie eine Matratze. Dann merkte ich, dass das Bett, sofern es denn eines war, ziemlich eng war. Und der Raum, in dem ich mich befand, hatte eine sehr, sehr niedrige Decke. Genauer gesagt war sie direkt über meinem Kopf. Herr im Himmel, ich war in einem Sarg!
Das Entsetzen war so übermächtig, dass sich meine Blase entleerte. Mir war klar, was passiert sein musste. Man hatte mich für tot gehalten und beerdigt, aber in Wahrheit war ich nicht tot, sondern … untot. Und jetzt lag ich hier, ein gerade erwachter Wiedergänger, zehn Kubikmeter Erde über mir, einen Riesenhaufen Kränze und ein frisches Holzkreuz. Wahrscheinlich war die Todesanzeige gerade im Druck. Hoffentlich hatten sie keine betenden Hände genommen!
Ich fing an zu weinen. Ich wollte kein Zombie sein! Ich hasste den Gedanken, mich bei Nacht durch wurmige Friedhofserde nach oben zu wühlen und als irre grinsender, grausiger Golem einherwanken zu müssen! Lieber wollte ich tot sein! Richtig tot!
Mein Weinen wurde zum Schluchzen, dann zum durchdringenden Heulen.
Und dann ging der Deckel des Sarges auf, und Martins besorgtes Gesicht beugte sich über mich.
Noch nie in meinem Leben war ich so erleichtert gewesen. Von Heulkrämpfen durchgeschüttelt, stieß ich stupide, unartikulierte Laute hervor, die Martin veranlassten, mich in den Arm zu nehmen und zu trösten. Dankbar schnüffelte ich seinen Geruch ein, stützte mich mit beiden Händen an seiner festen warmen Brust ab und ließ mich, immer noch leise schluchzend, von ihm wiegen wie ein kleines Kind.
Er strich mir übers Haar. »Hast du Schmerzen? Geht es denn noch nicht besser? Du hast drei Tage und drei Nächte geschlafen.«
Langsam nahm ich meine Umgebung wahr. Es war immer noch dunkel, doch dies war die normale Dunkelheit eines fensterlosen Raums, genauer gesagt eines gruftartigen Kellers. Ich erblickte spartanische Steinwände, einen kahlen Fußboden und eine schwere, dreifach verriegelte Eisentür.
Als Nächstes stellte ich fest, dass ich tatsächlich in einem Sarg saß. Martin kniete neben dem aufgeklappten Deckel.
Ich kam zur Besinnung und stieß ihn ergrimmt von mir. »Du hast mich in einen Sarg getan!«
»Nur zu deinem Schutz.« Er grinste mich an. »Mit der Zeit wirst du erkennen, dass diese Dinger die idealen Betten sind. Eigentlich ist es ja mein Bett. Ich habe es dir überlassen und solange da drüben geschlafen.« Er deutete hinter sich, wo auf dem nackten Fußboden eine ausgerollte Isomatte und ein zerknautschter Schlafsack lagen.
Ich knirschte mit den Zähnen und spuckte ein Stück Draht aus. »Du warst bestimmt nicht die ganze Zeit hier unten. Was wäre, wenn ich zwischendurch aufgewacht wäre?«
»Dann hättest du vermutlich den Deckel hochgeklappt, wärst ausgestiegen und raufgekommen. Abgesehen davon war ich die ganze Zeit im Haus. Wenn du aus irgendeinem Grund nicht zum Öffnen des Deckels in der Lage gewesen wärst, hätte ich dich auf jeden Fall gehört.« Er zeigte auf einen kleinen schwarzen Kasten am Fußende des mit stilvollen Schnitzereien verzierten und angeberisch mit Satin ausgeschlagenen Eichensargs.
»Was ist das?«
»Ein Babyphon«, sagte Martin.
Ich konnte nicht anders, ich musste kichern. Bei dieser Gelegenheit stellte ich auch fest, dass ich auf dem Wege der Besserung war. Meine Seite tat noch ein wenig weh, doch nur dann, wenn ich mich unbedacht bewegte. Ich fuhr mit der Hand unter
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