Beiß mich, wenn du dich traust
tun zu müssen. Das Schlimmste ist, dass ich es ausgerechnet ihm antun muss, dessen Eltern von Vampiren getötet wurden.
Wenn er bei klarem Verstand wäre, würde er sich nie und nimmer einverstanden erklären.
Aber natürlich ist er nicht bei klarem Verstand. Er ist meinen vampirischen Verführungskünsten total erlegen. Auf einmal küsst er mich. Seine Lippen attackieren mich mit einem Hunger, auf den ich ganz und gar nicht vorbereitet bin. Doch als ich protestierend den Mund aufmache, dringt seine Zunge in ihn ein, nimmt mich, fordert mich, vereinnahmt mich. Er schmeckt süß, wie Pfeffer-minzkaugummi, und fühlt sich heiß und schwer an auf meiner kühlen Vampirhaut. Als er sich der Länge nach auf mich legt, spüre ich sein Herz hämmern, hart, schnell, laut. Und als er mich um-schlingt, ist seine Berührung fest, aber voll ein-fühlsamer Sanftheit, die ich ihm bei seinem großspurigen Getue gar nicht zugetraut hätte. Ich atme seinen Duft nach Vanille und Sandelholz ein und gebe mich ihm hin.
Jareth, verzeih mir , denke ich, während ich Corbins Küsse mit der gleichen Leidenschaftlich-keit erwidere. Ich versuche, mir zu sagen, dass das hier nur ein Appetithäppchen ist, kein Vorspiel. Dass dem eine richtige Mahlzeit folgen wird, kein Sex. Trotzdem ist es schon mehr als seltsam, dass ich hier mit einem Jungen rum-knutsche, der eindeutig nicht mein fester Freund ist. Vor allem, weil mein Körper so gierig auf seine Berührungen reagiert. Aber das ist natürlich nur Blutgier.
Glaube ich.
Er stöhnt vor Wonne, als ich sein Gesicht mit Küssen bedecke, an seinem Kinn knabbere und dann mit den Lippen zu seinem Hals hinunter-wandere. Der Zweck ist, ihn dermaßen zu umgar-nen, dass er nicht aus seiner Trance erwacht, bis ich die köstliche Stelle erreicht habe. Diese wunderschöne Ader, die mir das Leben retten wird. Mein Körper bebt, als ich über seine ver-schwitzte Haut lecke, ausgehungert nach einem Schluck gierend.
Jetzt passiert es. Zum ersten Mal werde ich einen Menschen beißen. Danach gibt es kein Zurück mehr.
Meine Fangzähne gleiten begierig heraus, ohne jedes Zögern. Sie schneiden durch die zarte Haut wie durch Butter, bohren sich in die Vene und lassen süßes Blut in meinen Mund fließen. Ich sauge und sauge, schlucke einen Mundvoll Blut nach dem anderen, während Corbin ekstatisch stöhnt, vollkommen high von der Droge des Vampirparfüms.
Das ist Vampirismus der alten Schule. Der Grund, weshalb wir diesen Duft überhaupt verströmen können. Während wir ihn heutzutage fast nur noch dazu benutzen, um uns Strafzettel zu erspa-ren, mussten wir in den Zeiten, bevor es sanktio-nierte Spender gab, unsere Opfer verführen, um sie aussaugen zu können. Sie boten sich willig an, ohne zu ahnen, dass ihr besinnungsloses Begehren sie meist das Leben kosten würde.
Ich trinke und trinke und Corbins Lebenskraft strömt in beinahe orgasmischen Wellen durch mich hindurch. Warum habe ich so lange gewar-tet, um das zu probieren? Es ist einfach göttlich.
So stärkend, sättigend, köstlich. Kein Vergleich zu diesem widerwärtigen Ersatzzeug, das ich bisher getrunken habe. Damit werde ich mich nie wieder begnügen können, jetzt, da ich den echten Stoff gekostet habe ...
Das verzweifelte Hämmern von Corbins Herz durchbricht meinen Rausch und mir wird bewusst, dass ich aufhören muss - sofort -, bevor ich ihn aus Versehen leer trinke. Mit ungeheurer Anstrengung gelingt es mir, meine Fangzähne einzuziehen.
Die Ernüchterung folgt sofort und mein Verlan-gen nach mehr ist beinahe unerträglich. Mein Opfer sinkt ohnmächtig neben mir zusammen. Ich presse fest mein T-Shirt auf seine Halswunde, um die Blutung zu stillen.
In diesem Augenblick überfällt mich plötzlich die Angst. Was habe ich getan? Wie soll ich ihm das erklären, wenn er aufwacht? Wird er sich erin-nern, dass ich ihm das angetan habe? Und wenn ja, wird er mich verraten? Oder mich lieber gleich selbst umbringen?
In meiner Panik schüttele ich ihn grob, um ihn aus seiner Ohnmacht zu wecken. Er blickt mit glasigen Augen zu mir auf. »Gott, Rayne«, nuschelt er. »Du bist umwerfend.«
Umwerfend gemein und abstoßend , denke ich.
Dann reiße ich mich zusammen. Später wird noch genug Zeit sein für einen Riesenkater samt Schuldgefühlen. »Sprich nicht«, sage ich zu ihm.
»Du bist gebissen worden, von einem ... Elf. Von einem abscheulichen, fiesen Elf . Du hast eine Bisswunde am Hals«, füge ich hinzu. »Aber du wirst wieder in Ordnung
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