Beiss noch einmal mit Gefuehl
Zehn-vor-zwei-Position auf das Lenkrad, machte aber keine Anstalten, den Motor anzulassen. „Warum schützen Sie ihn immer noch, obwohl er mit Ihnen Schluss gemacht hat?“
„Wen? Sebastian?“
„Parrish“, sagte Dominguez. „Daniel Parrish.“
„Parrish ist nicht mein Freund. Nicht mehr.“
Er sah mich von der Seite an und kratzte sich hinter dem Ohr. „Habe ich das nicht gerade gesagt?“
„Parrish und ich haben uns vor langer Zeit getrennt. Nicht erst gestern.“
Dominguez nickte, doch er sah mich an, als glaubte er mir kein Wort. Ich fühlte mich lebhaft an die Streitereien mit Sebastian erinnert.
„Wirklich!“, beteuerte ich.
Ein Blitz, der über den Himmel zuckte, erhellte für einen Sekundenbruchteil die Straße. Mir zog sich der Magen zusammen. Es beunruhigte mich zutiefst, dass Dominguez die Verbindung zwischen mir und Parrish hergestellt hatte.
„Vielleicht ist es nur Zufall“, fuhr Dominguez fort, „dass Parrish genau in die Stadt gezogen ist, in der Sie sich niedergelassen haben. Vielleicht hat ihr defensives Verhalten gar nichts mit ihm zu tun. Ich weiß nur, dass Sie verdächtig wirken. Als hätten Sie irgendwie Dreck am Stecken.“ Sein Ton war kalt, sein Blick noch viel kälter. Ich musste es irgendwie schaffen, ihn anzufassen, um die Wirkung des Zaubers wieder zu erhöhen. „Wollen Sie mir nicht erzählen, was Sie getan haben?“
Der Wind fegte den Regen über die Motorhaube. Die Fenster waren mittlerweile ziemlich beschlagen. Ich drehte meinen Schirm nervös zwischen den Knien. „Nein.“
„Was ist letztes Halloween passiert, Garnet? Warum haben Sie Minneapolis verlassen?“
Er sah mich so eindringlich und besorgt an, dass ich mich abwenden musste. Wassertropfen liefen die Scheibe hinunter wie Tränen.
Der Drang, alles zu gestehen, war überwältigend groß. Die vielen Toten, all die Geheimnisse lasteten wie ein schwerer Stein auf meiner Brust. Ich bekam fast keine Luft mehr und schluckte.
„Sie können es mir ruhig sagen“, redete Dominguez mir zu und legte eine Hand auf meinen Oberschenkel. „Ich werde Sie nicht verurteilen.“
„Mein Zirkel ...“ Die Bilder jener Nacht kehrten wieder zurück.
Mehrere nackte Frauen auf dem Boden, tot – innerhalb des Kreises, der eigentlich hatte schützen sollen. Nightingales glasige Augen und die furchtbare Erkenntnis, was das hässliche Einschussloch in ihrem hübschen, bleichen Gesicht zu bedeuten hatte. Der Duft von frisch gebackenen Schokokeksen, der sich mit dem kupferigen, süßlichen Geruch von Blut vermischte. Dann das Klicken von Gewehren; das Gefühl, im Fadenkreuz zu sein, ohne fliehen zu können. Dann plötzlich Finsternis. Beim Aufwachen noch mehr Tote ... und ich ganz allein.
Ich merkte erst, dass ich angefangen hatte zu weinen, als Dominguez mir ein Taschentuch reichte. „Wissen Sie, wer sie getötet hat? Sind Sie immer noch in Gefahr?“
Ich hätte fast gelacht. Wo war das FBI vor sechs Monaten gewesen, als die Jäger des Vatikans es auf Sebastian abgesehen hatten? Auch da war ich allein gewesen.
Ein Beben ging durch meinen Bauch.
Nein, falsch, Lilith war da gewesen. Und SIE war immer noch bei mir.
Ich putzte mir die Nase und versuchte, mich zu sammeln. Ich beschloss, so nah an der Wahrheit zu bleiben, wie es mir eben möglich war.
„Es gibt eine Gruppe, eine religiöse Vereinigung, die sich dem Vers aus dem zweiten Buch Mose 'Eine Hexe sollst du nicht am Leben lassen' verschrieben hat. Eustachius-Kongregation heißt sie, aber im Grunde ist sie eine moderne Form der Inquisition. Die Mitglieder haben alle ein Tattoo mit der Angabe von Kapitel und Vers – 22:18“, erklärte ich.
„Mein Zirkel lebte immer in der Angst, entdeckt zu werden“, fuhr ich nach einer kurzen Pause fort. „Deshalb haben wir auch Decknamen benutzt. Aber die Kongregation hat uns trotzdem aufgespürt.“
Dominguez hatte die ganze Zeit ermunternd genickt, während ich geredet hatte. Es schien ihn nicht besonders zu schockieren, dass eine geheime Vereinigung von Mördern frei herumlief. Ich hatte den Eindruck, dass das FBI etwas über die Hexenjäger wusste und Dominguez nur hören wollte, was ich zu diesem Thema zu sagen hatte. Bevor ich nachhaken konnte, sagte er: „Und jetzt sind diese Geistlichen tot.“
„Göttin sei Dank!“, rief ich, ohne nachzudenken. „Also, ich kannte diese Kerle ja nicht, verstehen Sie? Und meine Freundinnen sind auch tot.“
Dominguez holte eine Mappe hinter seinem Sitz hervor und warf mir
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