Beißen für Anfänger 1: Hexenzirkus (German Edition)
langer Mähne ausweichen, der sich mit einer großen blonden Frau im Kreis drehte.
»Alle sind hier«, rief ich Ben beglückt zu, weil ich mich der Truppe zum ersten Mal richtig zugehörig fühlte – nicht als Freak, sondern einfach nur als Fran, als kleines Rädchen im Getriebe.
»Sie können gar nicht anders. Der Leadsänger benutzt einen Glamour«, antwortete er. »Er bringt die Leute dazu, tanzen zu wollen. Fühlst du es nicht?«
»Doch, aber es stört mich nicht. Guck mal, da ist Absinthe.« Ben schaute in die Richtung, in die ich zeigte. Ich hatte Absinthe nie zuvor auch nur in der Nähe des Zelts gesehen, in dem die Konzerte stattfanden, aber hier war sie, und ihre pinkfarbene Igelfrisur hüpfte auf und ab, während sie mit Karl tanzte.
»Ich bin so glücklich«, rief ich und warf die Hände in die Luft, als Ben in mein Lachen einstimmte und meine Taille umfasste, um mich herumzuwirbeln. »Alles ist so wundervoll!«
Ich bemerkte meinen Fehler noch in derselben Sekunde, als meine Finger mit den Körpern in Kontakt kamen, die mich umringten. Bilder, Gedanken, Hoffnungen, Begierden, Kümmernisse, Krankheiten, Sorgen … Hunderte Eindrücke überfluteten mein Bewusstsein, als Ben mich im Kreis drehte. Ich riss die Arme zurück, doch davor berührte ich noch jemanden.
Jemand Böses.
Jemand Verderbtes.
Jemand, der plante, den fröhlichen, hinreißenden Mann zu töten, der mich in seinen Armen hielt.
8
»Ist alles in Ordnung?«
»Ja. Du kannst meinen Kopf jetzt loslassen.« Ich setzte mich langsam auf und tat, als wäre mir plötzlich so schwindlig geworden, dass ich einer Ohnmacht nahe war. Mir war kein bisschen schwindlig, dafür war mir speiübel.
Jemand will Ben umbringen!
Ben kauerte sich neben den Stuhl, zu dem er mich geführt hatte, als ich mitten im Zelt einen Kollaps vorgetäuscht hatte. Ich pumpte ein paar Züge frischer Luft, die nicht von Hunderten Körpern verunreinigt war, in meine Lungen und schaute mich um. Wir befanden uns vor Tallulahs Bude, die am weitesten vom Hauptzelt entfernt war. Die Musik pochte dumpf in meinem Hinterkopf wie eine Migräne, die einfach nicht verschwinden will. Ich konnte mich nicht erinnern, den ganzen Weg hierhergelaufen zu sein, darum überlegte ich, ob Ben mich getragen hatte. Würde ich mich daran nicht erinnern?
Jemand will Ben umbringen!
Ich schüttelte den Kopf und schloss wieder die Augen. Es fiel mir schwer, klar zu denken, solange die Musik in meinem Hirn wummerte.
»Geht es ihr besser? Möchte sie einen Schluck Wasser?«
Jemand will Ben umbringen!
»Halt die Klappe«, knurrte ich meine kreischende innere Fran an.
»Hat sie gerade gesagt, ich soll die Klappe halten?«
»Ich bin nicht sicher. Es klang so.«
Ein Schatten fiel zwischen uns und auf meine Hände, die Bens umklammerten, als wäre ich um ein Haar ertrunken. Es musste Tallulah sein. Sie hasste die Bands und hielt sich immer vom Zelt fern, wenn eine spielte.
»Jemand will dich umbringen.« Ich merkte nicht, dass ich die Worte laut sagte, aber das tat ich. Es war meine Stimme, und Ben verstärkte den Griff seiner Finger um meine.
»Irgendjemand will mich immer umbringen«, bemerkte Tallulah völlig sachlich. »Das ist noch lange kein Grund, mir zu sagen, dass ich die Klappe halten soll. Es liegt daran, dass ich mit den Verstorbenen in Kontakt treten kann und dabei Dinge erfahre, von denen die Lebenden nicht immer wollen, dass sie bekannt werden. Einmal hat eine Dame in Amsterdam, die ihren alten Vater erstickt hatte, versucht, mich mit einer Hutnadel zu erstechen. Mit einer Hutnadel! Natürlich wusste ich, dass sie auf dem Weg zu mir war. Sir Edward hatte mich gewarnt.« Sir Edward ist Tallulahs Freund. Er ist tot, aber sie verbringen trotzdem viel Zeit miteinander.
»Ich glaube nicht, dass Fran dich gemeint hat«, erklärte Ben. Er wirkte nicht im Geringsten überrascht oder besorgt oder erschüttert, so wie es bei mir der Fall gewesen wäre, hätte man mir gesagt, dass jemand mich so tot sehen wollte wie einen zertretenen Käfer. Er sah mich einfach nur an, ein wenig beunruhigt vielleicht schon, trotzdem waren seine Augen wieder eichenhell mit goldenen Sprenkeln darin.
Ich linste zu Tallulah hoch und schenkte ihr ein mattes Lächeln. »Ich meinte nicht, dass du die Klappe halten sollst, und ich bin froh, dass du Sir Edward hast, der dich rechtzeitig warnt, wenn jemand dich abmurksen will, aber Ben hat recht. Es geht hierbei um ihn, nicht um dich.«
»Jemand will Ben umbringen?«
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