Bekehrung: Ein Eifel-Krimi (Eifelkrimis) (German Edition)
der deutschen Polizei bereits ausgesagt habe: »Außerdem habe ich keinen Wagen anhalten hören.«
»Wie denn auch?«, entgegnet Marcel. »Bei dem Sturm und dem Schnee!«
»Eben, da war kein Schwein unterwegs. Vielleicht hast du nachher ja mehr Glück.«
Meine unmissverständliche Weigerung, den Fahrdienst für die Polizeizone Eifel weiter auszudehnen, nimmt Marcel kommentarlos hin.
»Hübsches Haus, nicht?«
Er deutet aus dem Fenster nach rechts zu einer gelben Fassade, an der große Gemälde von drei historischen Gestalten angebracht sind.
Graffiti in der Eifel. Ich halte an, um mir die Kunstwerke genauer zu betrachten.
»Karl der Große stammt ja angeblich aus der Eifel und soll in Prüm geboren sein«, bemerke ich, »aber was haben Dschingis Khan und Montezuma hier verloren?«
»Das Gleiche könnte man dich fragen«, murmelt Marcel unvermittelt. Doch ich lasse mich nicht überrumpeln.
»Selbst schuld. Du hast mich in Berlin angerufen.« Mit quietschenden Reifen fahre ich wieder los. »Hast wohl nicht erwartet, dass ich auf dich höre?«
»Nichts habe ich von dir erwartet, Katja, gar nichts.«
Bilde ich mir das nur ein, oder schwang in der sanft geäußerten Bemerkung tatsächlich ein Hauch von Sehnsucht mit? Der mich jetzt wie eine warme Brise umweht. Besser gar nich erst ignorieren , sagt die Berlinerin in mir; im Winter verirrt sich in die Eifel keine warme Brise.
Und in mein Herz werde ich keine mehr reinlassen. Das Kapitel Männer ist für mich abgeschlossen, vor allem das mit der Überschrift Marcel. Der Nähe, die in der Enge meines Wagens aufzukommen droht, muss ich diszipliniert einen Riegel vorschieben. Aus reinem Selbstschutz. Sollte ich nämlich jeder diffusen Regung in meinem Inneren nachgeben, schaffe ich nie wieder den Absprung in die Welt der Kino- und Theaterpremieren, der Straßencafés und Kleinkunstbühnen, der Shoppingmalls und Fanmeilen. Die Rückkehr in ein geordnetes Leben eben, wo man seinen Alltag schön planen kann, ohne durch Verbrechen in der Nachbarschaft oder gar im eigenen Restaurant aus dem Tritt gebracht zu werden. Oder durch die Sorge um Freunde und die Erinnerung an eine alte Liebe. Die so alt nun auch wieder nicht ist, erinnert mich mein verräterisches Herz. Das Marcel mit seiner nächsten Bemerkung sofort zum Schweigen bringt.
»Mon dieu, Tempo dreißig!«, schnauzt er mich an, als ich mit höchstens zwanzig Stundenkilometern über die Eselsbrücke, wie Marcel die Schwelle nennt, vor der Manderfelder Schule krieche.
Gleich danach fordert er mich auf, der Straße zu folgen, anstatt rechts nach Krewinkel runterzufahren. Zur Kehr ginge es da normalerweise schneller als über Losheim, aber er kennt die derzeitigen belgischen Straßenverhältnisse besser als ich. Vielleicht hat sich der Winterdienst Krewinkel erspart.
Erst als er mich in Hergersberg bittet, links in einen Seitenweg einzubiegen, ahne ich, wohin die Reise geht.
Wir halten vor einem an den Waldrand geduckten hässlichen Häuschen. Es ist mit Eternitplatten verkleidet und hat drei winzige Fenster zur Straße hin. Eine dünne Rauchsäule steigt aus dem Schornstein empor.
Marcel zieht an der Außenglocke, deren Läuten keine Nachbarn stören kann, weil es weit und breit keine gibt.
Es dauert ziemlich lange, bis uns eine alte Frau die Tür öffnet. Marcel stellt sich vor, mich aber nicht und bittet um Einlass.
»Gibt es Ärger?«, fragt die Frau, zieht hinter sich eine Tür zu und lässt uns im dunklen Flur bei offener Haustür stehen. Marcel verneint die Frage und erklärt, es ginge um die beiden Frauen, die früher hier gewohnt hätten.
»Ach, die sich an sich selbst versündigt haben.« Die Frau bekreuzigt sich. »Ich dachte, das ist alles vorbei?«
Ist es auch, ist es auch, versichert Marcel, er hätte nur ein paar Fragen und wolle wissen, ob es noch irgendwelche Gegenstände von den Frauen im Haus gäbe, Kartons mit Papieren, zum Beispiel.
»Die hatten ja nix«, sagte die Alte. Den Karton mit den Papieren und noch so ein paar Kleinigkeiten, alles garantiert wertlos, habe sie der Schwester von der einen mitgegeben. Die sei eine Woche nach dem Tod der Frauen plötzlich aufgetaucht.
Marcel zieht eine weitere Kopie des Phantombilds hervor und hält sie der Alten vor die Nase.
»Sah die Schwester so aus? Vielleicht sollten wir mal das Licht anmachen?«
Die Frau schüttelt den Kopf.
»Nützt nichts. Ich seh sowieso kaum was. Nur dass die Frau reich aussah, das schon. Da hätte sie ihrer armen
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