Bekehrung: Ein Eifel-Krimi (Eifelkrimis) (German Edition)
rate.«
»Ist ja noch mal gut gegangen. Menschen und Tiere dürfen weiterleben. Außerdem habe ich heute keine Lust auf Rehbraten.«
»Vielleicht auf was anderes?«
Seine Stimme klingt schelmisch. Er löst seinen eigenen Sitzgurt und steigt aus.
Ja, ich habe auf was ganz anderes Lust. Wozu noch dagegen ankämpfen? Warum das Verlangen nach Nähe unterdrücken? Schließlich reicht eine fatale Vollbremsung, um Pläne und Vorsätze in Schrott zu verwandeln. Wäre uns gerade ein anderer Wagen entgegengekommen, hätten wir jetzt beide tot sein können. Ein weiteres Holzkreuz würde am Straßenrand aufgestellt werden – wie für die vielen anderen Menschen, die auf dieser kurvenreichen Strecke verunglückt sind.
Gestern habe ich großes Glück gehabt und heute schon wieder. Ich sollte es festhalten, das Glück, und zwar am liebsten in der Gestalt des Mannes neben mir.
Nie hat mich jemand besser festhalten können als einstmals Marcel, nie mich jemand liebevoller in die Arme genommen. Das möchte er bitte endlich wieder tun. In meinem Bruchsteinhaus, keine fünf Minuten von hier. Da will ich sofort hin und mit ihm unser neu geschenktes Leben feiern.
Hochstimmung breitet sich in mir aus. Die warnenden Stimmen in meinem Kopf sind verstummt. Ich habe endlich wieder eine Entscheidung aus dem Bauch heraus getroffen. Der bietet mir schließlich reichlich Platz dafür. Wie entlastend, nicht mehr denken zu müssen, sondern sich ganz dem Gefühl überlassen zu dürfen!
Und welch eine verlockende Vorstellung, das Chaos in mir und um mich herum durch näheres Zusammenrücken weiter bannen zu können! Bei wildem hemmungslosem Sex alles zu vergessen, was unser Leben derzeit so entsetzlich kompliziert macht. Ach, wäre das schön, ein paar köstliche Stunden lang nicht darüber nachgrübeln zu müssen, warum diese Frau Jean-Marie Lambert in meinem Restaurant erschossen hat, weshalb ein Anschlag auf Claire Maraite verübt wurde, was das mit David zu tun und welche Schuld der Priester auf sich geladen haben könnte. Stattdessen einfach diesem urplötzlich wiedererwachten animalischen Trieb nachgeben und mich mit Marcel in meinem Anderthalbpersonenbett wälzen.
Ich sollte dem Mann zu verstehen geben, wie gewogen ich ihm wieder bin, wie sehr ich ihn begehre und wie eilig ich es habe, den Beweis dafür mit vollem Körpereinsatz zu erbringen. Die durcheinandergewirbelten Gegenstände auf der Ladefläche hinter uns kann er doch später in Ordnung bringen.
Leichten Herzens wuchte ich mich aus dem Wagen. Allerdings zittern meine Knie entsetzlich. Noch vor Schreck oder schon aus Vorfreude? Egal, ich halte mich am eiskalten Autodach fest und schiebe mich nach hinten durch, wo es etwas Wärmeres zum Anfassen gibt: Marcels verlängerter Rücken. Sein Oberkörper ist, für meine Arme unerreichbar, im Kofferraum verschwunden.
Nicht zögern! Sonst fangen wieder die Abwägungen an, und du machst doch noch einen Rückzieher. Freu dich lieber, dass du heute noch zupacken kannst. Während ich innerlich auf mich einrede, strecke ich entschlossen eine Hand aus und kraule dem belgischen Polizeiinspektor den Po.
»Au!«
Er richtet sich auf, tritt einen Schritt zurück und hält sich den Kopf, den er sich gerade gestoßen hat.
»Was soll das, Katja?«
Eine schmerzliche Frage.
Die mein Mund ohne Worte beantworten soll. Ich schließe die Augen, stelle mich so hin, dass ich mich rückwärts in den Jeep fallen lassen könnte, und breite die Arme aus. Deutlicher kann ich meine Einladung nicht ausdrücken. Er soll jetzt endlich über mich herfallen!
Warum warten, bis wir unter meiner Daunendecke auf der Kehr liegen? Ich bin gut gepolstert, und die Wolldecken, die Marcel für kalte Observierungsnächte im Auto liegen hat, könnten auch mal ausgeschüttelt und einer sinnlichen Verwendung zugeführt werden. Bevor uns das nächste Wild vor den Kühler rennt und unser Leben auslöscht, ohne dass wir noch einmal näher zusammengerückt sind.
Ich verliere das Gleichgewicht und falle tatsächlich in den Jeep. Nicht etwa, weil sich Marcel zärtlich an mich gedrückt hätte, sondern weil mir plötzlich ein Gewicht am rechten Arm hängt.
»Ich weiß ganz genau, worauf du jetzt Lust hast!«
Marcels Stimme klingt triumphierend.
Ich öffne die Augen und betrachte verständnislos die große weiße Plastiktüte.
»Schau rein!«
Benommen folge ich seiner Aufforderung.
»Hab ich recht? Darauf hast du doch bestimmt Lust?«
Ja, auf Schenkel schon, aber nicht
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