Bekehrung: Ein Eifel-Krimi (Eifelkrimis) (German Edition)
unbedingt auf tote.
Lammkeulen. Wortlos lege ich die Tüte wieder in den Kofferraum. Neben einem Karton, der die Brownies beherbergen dürfte. Die wohl genauso durcheinandergewirbelt und ineinander verklebt sein werden, wie es meine Gefühlsstränge jetzt schon wieder sind. Vielleicht ist es doch besser, auf den Kopf als auf den Bauch zu hören. Dann wäre mir vielleicht aufgefallen, dass ich mit meiner erotischen Anwandlung völlig allein dastehe. Ich schäme mich. Nie wieder werde ich mich über Gudrun mokieren, wenn sie David als Projektionsfläche missbraucht. Ich habe genau das Gleiche mit Marcel gemacht, keine Sekunde auf den Gedanken verschwendet, dass er mich vielleicht gar nicht mehr begehren könnte. Dass seine Liebe endgültig erloschen ist. Wie erniedrigend, jetzt auch noch Dankbarkeit heucheln zu müssen, dass er mir die Peinlichkeit einer offenen Zurückweisung erspart.
»Ganz frisches Lamm!«, erklärt er begeistert. »Vorhin auf dem Flohmarkt ergattert, stell dir vor!«
»Verbotenes Fleisch«, flüstere ich. Leider denke ich dabei nicht nur an Lamm.
»Mais bien sûr. War von unterm Ladentisch. Selbstschlachtung. Burg-Reuland. Der Bauer kennt mich.«
»Belgisches Gemauschel.«
Amtsmissbrauch wäre ein passenderer Ausdruck. Aber ich fühle mich derzeit nicht in der Lage, ihm Vorhaltungen zu machen.
»Belgischer Deal. Wäre nicht das erste Mal, dass du davon profitierst.«
»Und was sage ich der Gewerbeaufsicht, wenn sie die Quittung sehen will?«
»Wenn die ausgerechnet morgen kommt, vertröste sie und gib mir Bescheid.« Er seufzt. »Papiere sind immer zu beschaffen. Mein Gott, was seid ihr Deutschen doch umständlich!«
»Wir halten uns an Gesetze.«
»Die bei extremen Situationen außer Kraft gesetzt werden können. Was das angeht, Katja, da hattest du eben völlig recht.«
»Womit?«
»Mit der extremen Situation«, sagt er. »Da kann man ganz schön durcheinanderkommen und Dinge tun, die man eigentlich gar nicht will.«
Ich ignoriere die Hand, die er ausstreckt, um mir von der Ladefläche runterzuhelfen. Ich brauche keine Hilfe beim Aussteigen. Ich weiß genau, was ich will! Ihn jedenfalls nicht mehr.
Er spricht unbekümmert weiter: »In extremen Situationen hilft nur, sich auf das zu konzentrieren, was man am liebsten tut. Und das ist bei dir nun mal das Kochen, n’est-ce pas?«
Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu nicken. Marcel schließt den Kofferraum.
»Steig wieder ein, Katja. Wir fahren zuerst mal bis bei Bianca.«
»Wieso das? Willst du den Schafen vorführen, was aus ihnen wird, wenn sie sich nicht benehmen?«
»Frisches Heu holen«, sagt er, als wir wieder im Wagen sitzen. »Für das Rezept nachzukochen, von dem ich dir erzählt habe. Lamm auf Heu im Ofen.«
»Heute bleibt die Küche kalt. Das Restaurant ist noch geschlossen.«
»Ich dachte, dass wir was für uns kochen könnten. Einmal das Rezept ausprobieren, damit du die beiden anderen Keulen morgen deinen Gästen vorsetzen kannst. Aber wenn du keine Lust hast …«
»Musst du denn nicht arbeiten? Ohne störende Begleitung noch mal beim alten Pfarrhaus anklopfen?«
»Die störende Begleitung hat schon ein paar richtige Fragen gestellt.« Er lässt den Motor wieder an. »Und Christine Lamberts heftige Reaktion war auch eine Antwort. Sie hat uns rausgeworfen, weil sie Zeit gewinnen wollte. Die gebe ich ihr jetzt erst mal.«
»Du meinst, sie weiß mehr, als sie sagt? Wie Claire Maraite?«
»Sind jedenfalls beides komische Zeuginnen.«
»Wieso? Sie haben uns eine Menge Hintergrundinformationen geliefert.«
»Das ist es ja eben. Als ob sie uns in eine bestimmte Richtung schubsen möchten. Und als ob sie sich die Arbeit aufgeteilt hätten.«
»Christine erzählt uns die traurige Geschichte von Babette Schröder, und Claire doziert über das Wesen der Sekte. Jede spricht über das, was sie weiß. Was ist denn daran so komisch? Sie wollen, dass der Mord an Lambert aufgeklärt wird. Wie wir ja auch.«
Marcel brummt vor sich hin: »Und jedes Mal, wenn wir nachbohren, hören beide auf weiterzureden? Die kleine Maraite ist plötzlich total müde, und die Lambert wirft uns zweimal raus?«
Wir . Uns.
Früher wäre ich glücklich über ein solches Bekenntnis zur Zusammenarbeit gewesen; früher hat er mich nie an seinem Herrschaftswissen so teilhaben lassen wie in diesem Fall, sondern streng darauf geachtet, mir nur das Allernötigste zu erzählen. Früher gab es ein von Mordfällen – zumindest zeitweise –
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