Bekehrung: Ein Eifel-Krimi (Eifelkrimis) (German Edition)
Tiergartenstraße hinaufzuckeln. Sehr erstaunlich, dass sich der ansonsten so flotte belgische Polizeiinspektor auf dem Berg an die Geschwindigkeitsbegrenzung hält. »Er kommt aus Belgien.«
Marcel nickt. »Ja, aus St. Vith. Ist auf Flohmärkten in Prüm, Daun, Gerolstein und Hillesheim schon öfter auffällig geworden, weil er da in Deutschland verbotene Militaria vertickt hat. Und Mein Kampf sowie andere Nazibücher. Ist ein guter Markt für hier. Aber das hilft uns jetzt auch nicht weiter.«
Noch vor dem Ortsausgangsschild von Prüm gibt er ordentlich Gas.
»Ich könnte den Mann höchstens wegen Schmuggeln oder Hehlerei belangen, aber das interessiert mich jetzt nicht. Er hat die Leute nie gesehen, von denen er die Ledersachen und die Brownies hat.«
»Und das glaubst du ihm? Wie ist die Transaktion denn über die Bühne gegangen?«
»Übers Internet.«
»IP-Adresse …«
»Pas de chance! Vergiss es. Läuft ins Leere. Und die Ware wurde ihm gestern Abend einfach vor die Tür gestellt. Die Brownies waren eine Zugabe; für die hat er nicht mal zahlen müssen.«
»Wenn die Verkäufer den Postweg meiden, müssten sie ja hier aus der Gegend sein. Oder der Mann hat dir ein Märchen aufgetischt. Ich würde ihn jedenfalls beobachten lassen.«
Marcel lächelt fein.
»Das tun die Kollegen von der Drogenabteilung in St. Vith doch schon längst. Von denen weiß ich, dass er gestern eine Spritztour nach Holland gemacht hat.«
»Und ist offenbar ohne Drogen zurückgekommen. Sonst würde er heute wohl kaum in Prüm auf dem Flohmarkt stehen.«
»Stimmt. Er war sauber. Das Blöde ist nur, dass deswegen niemand mitbekommen hat, wer ihm das Zeug vor die Tür gestellt hat.«
»Vielleicht irren wir uns ja auch.«
»Nee, glaub ich nicht. So viele Zufälle gibt es nicht. Das hängt irgendwie alles miteinander zusammen. Volker Maraite, diese Hosenträger-Handytaschen, die Brownies und dann auch noch David. Dass der hier ist … Wer weiß, vielleicht hat er Lamberts Mörderin irgendwie zufällig kennengelernt, und sie ist durch ihn überhaupt erst auf die Idee für das Rendezvous in deinem Restaurant gekommen …«
»Klar, er hat der Frau gesagt, dass es bei uns auf einen Mord mehr oder weniger nicht ankommt. Babette Schröder …«
»Ob sie tatsächlich die Täterin ist, werden wir wohl erst morgen wissen. Die deutschen Kollegen verfolgen da eine Spur. Eine sehr komische …« Er wirft mir einen zweifelnden Blick zu. »Irgendwie kann ich nicht glauben, dass David auf den Quatsch mit der Unsterblichkeit reingefallen ist … Was hat uns die Maraite da noch gesagt? Dass in hundert Jahren niemand mehr an Krankheit oder Alter sterben wird und diese Leute jetzt schon den Schlüssel zum ewigen Leben in der Hand haben?«
»Dass sie daran arbeiten«, verbessere ich, »und dass der Mensch kein Mensch mehr ist, wenn er die Herausforderung gemeistert hat, den Donnerkeil endlich gen Walhall zu schleudern.«
»Genau. Was für ein hochtrabendes Zeug! David ist doch sonst so nüchtern. Hat doch nie was mit Esoterik am Hut gehabt. Passt das denn überhaupt zu ihm, dass er bei so was mitmacht?«
»Schon möglich«, sage ich. »Für lebensbejahende Gedanken könnte er durchaus empfänglich gewesen sein. Nach allem, was letztes Jahr passiert ist, und dann auch noch Gudrun mit ihrer Scheinschwangerschaft. David war in einer sehr extremen Situation.«
»Das waren wir doch alle.«
»Und sind es heute schon wieder.«
»Aber die Welt hat sich verändert.« Er drosselt vor der Kreuzung im Wald die Geschwindigkeit und setzt sehr leise hinzu: »Früher sind die Menschen in Zeiten der Bedrohung zusammengerückt. Das war schön, damals.«
Die Sehnsucht in seiner Stimme schneidet mir ins Herz. Wie sanftes Streicheln spüre ich seinen Blick auf meinem Gesicht. Jetzt bloß nicht zu ihm rübersehen, lieber den Kopf zu den Bäumen auf der Rechten drehen.
Eine sehr glückliche Entscheidung. Denn von da kommt was angeschossen.
»Vorsicht!«, brülle ich.
Marcel tritt so heftig auf die Bremse, dass mir der Sitzgurt die Luft abschneidet.
Während wir ein kurzes Stück über die Straße schliddern, flüchten die beiden Rehe unbeschadet Richtung Schwarzer Mann.
»Alles o.k. mit dir?« Marcel bringt den Wagen an der geräumten Bushaltestelle vor der Wetterstation Ormont zum Stillstand.
Schwer atmend fasse ich mir an die Brust.
»Ja.«
»Blöder Reflex.« Er knipst mir den Gurt auf. »Ich hätte draufhalten sollen. Wo ich das den Leuten doch immer
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