Bekehrung: Ein Eifel-Krimi (Eifelkrimis) (German Edition)
murmelt sie, »gar nicht wahr.«
Leise informiert sie mich über das, was sie angeblich erst heute erfahren haben will.
Sir Hamishs Krankenschwester war einkaufen gegangen und hatte Claire allein im Haus mit dem kranken alten Mann gelassen. Der bekam einen seiner epileptischen Anfälle. In ihrer Panik verabreichte ihm Claire das falsche Medikament und führte seinen qualvollen Tod herbei. Barbara Gordon gab Claire zwar die Schuld, sagte aber vor der Polizei aus, ihr Mann sei freiwillig aus dem Leben geschieden, als niemand im Haus war. Er habe das Leid seiner Behinderung nicht mehr ertragen können.
»Dabei wussten alle, die ihn kannten, wie sehr er am Leben hing«, flüstert Claire. »Stand ja auch alles in seinen Büchern.«
Ich hebe fragend die Augenbrauen.
»Wissenschaftliche Fantasyromane«, informiert mich Christine Lambert und sieht Claire unsicher an. »Oder so ähnlich?«
Claire nickt und schnäuzt sich die Nase. »Wissenschaftlich gestützte Fantasy. Wie Jules Verne, Isaac Asimov und Stanislaw Lem. So was hat er geschrieben. Und Barbara hat die Bücher ins Deutsche übersetzt.«
»Da stehen die Theorien drin, von denen Sie uns vorgestern erzählt haben?«
»Ja und noch viel mehr.« Mit der gleichen monotonen Stimme wie bei ihrem vorgestrigen Vortrag fährt sie fort: »Die eigentliche Kunst besteht darin, das Leben nicht als ein Karussell möglicherweise verpasster oder noch zu verpassender Gelegenheiten zu begreifen, sondern die eigene Reichweite gründlich auszuschöpfen und sich von der Fremdbestimmtheit zu verabschieden. Es geht nicht darum, das Unmögliche möglich zu machen, sondern es durchzusetzen.«
Christine Lambert wirft mir ein verschwörerisches Lächeln zu und streichelt der jüngeren Frau begütigend die Hand.
»Um diesen ganzen Kokolores geht es jetzt nicht, Claire. Frau Klein will wissen, was für Folgen diese Bücher hatten.«
»Große!«, versichert Claire. »Hamish hatte eine richtige Fangemeinde. Leute kamen von überallher, um mit ihm darüber zu diskutieren, vor allem aus Deutschland.«
Claire schildert, wie Barbara Gordon bei solchen Besuchen und den Diskussionen bis in die Nacht aufgeblüht war.
»Sie können sich nicht vorstellen, wie einsam es da sonst war.«
»Inverness ist sicher eine größere Stadt als St. Vith«, werfe ich ein.
»Aber das Haus lag ganz weit abseits, da verirrte sich sonst niemand hin.«
Nach dem Tod ihres Mannes war Barbara Gordon ganz von dem Plan beseelt, seine Theorien in die Praxis umzusetzen und in aller Unversöhnlichkeit der menschlichen Sterblichkeit den Kampf anzusagen. Damit stieß sie bei Hamishs Fangemeinde auf offene Ohren.
»Bei Ihnen auch?«, frage ich Claire.
Sie schüttelt den Kopf. »Ich wollte nicht dauernd über den Tod nachdenken, und wie man ihn überlisten kann. Aber meinen Vater hat das schon sehr interessiert. Der kam, um mich abzuholen …«
»… und verfiel dieser Frau«, setzt Christine grimmig hinzu.
»Nein, nicht der Frau«, protestiert Claire. »Hamishs Ideen. Damals lebte meine Mutter ja noch.«
Christine wirft mir den vielsagenden Blick der erfahrenen Frau zu.
»Wann und woran ist Ihre Mutter denn gestorben?«, frage ich leise.
»Drei Jahre später. An Krebs. Kurz darauf verschwand mein Vater. Erst dachte ich, er ist in Schottland, aber dann erfuhr ich, dass Barbara das Anwesen verkauft hat. Ich wusste nicht, dass sie wieder hierher zurückgekehrt war. Wir hatten ja keinen Kontakt mehr.«
»Und dann hat Ihnen Polizeiinspektor Langer das Bild gezeigt.«
Claire schüttelt den Kopf. »Da habe ich sie nicht sofort drauf wiedererkannt. Die Haare waren ganz anders, und überhaupt …«
Christine Lambert fällt ihr ins Wort: »Ich habe Claire von Babette erzählt. Es gibt nicht viele Frauen in der DG, die alle ihre Angehörigen bei einem so schrecklichen Feuer verlieren.«
»Und Barbara Gordon stammt aus Atzerath«, setzt Claire hinzu.
»Da wussten wir sehr schnell, dass wir von der gleichen Frau sprachen.«
»Wo und wie kam Jean-Marie Lambert ins Spiel?«, frage ich.
Claire hebt die Schultern.
»Keine Ahnung«, antwortet Christine Lambert. »Er hat mir von alledem nie etwas erzählt, nicht einmal eine Andeutung gemacht. Vielleicht fiel das unter das Beichtgeheimnis. Ich wusste nicht, dass er wieder mit Babette in Verbindung stand, war total ahnungslos.«
»Bis heute.«
»Bis heute.«
»Wie kommen Sie dann auf die Idee, dass Ihr Bruder diese Sektenleute dem Zugriff der Frau entziehen wollte und darum
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