Bekehrung: Ein Eifel-Krimi (Eifelkrimis) (German Edition)
Ich greife zu meinem Handy und füge an, dass sich Claires Polizeischutz dann eben nach Atzerath verlagern würde.
»Bitte nicht«, sagt Christine. »Das wäre wegen der Nachbarn nicht gut. Wenn da immer die Polizei rumsteht, was sollen die denn denken.«
»Wenn niemand weiß, wo ich wohne«, sagt Claire, »bin ich bei Frau Lambert bestimmt viel sicherer als in meiner Wohnung in Aachen.«
»Ich weiß es aber«, merke ich an.
Beide Frauen lachen. »Sie und der Polizeiinspektor«, sagt Christine Lambert, »vor Ihnen haben wir keine Angst.«
»Vor wem dann?«
»Vielleicht vor der Frau, die meinen Bruder erschossen hat? Wissen Sie inzwischen mehr über sie?«
»Ja«, sage ich und wäge ab.
Gefährde ich die Ermittlungen, wenn ich die Reaktion der Frauen auf meine Informationen peile? Oder sollte ich lieber die Klappe halten?
»Dann wissen Sie jetzt bestimmt auch, dass sie der Kopf dieser Sekte ist«, platzt Christine Lambert in meine Überlegungen rein, »und dass mein Bruder getötet wurde, weil er versucht hat, die Leute ihrem Zugriff zu entziehen und alles öffentlich zu machen.« Sie nickt zu einer knallrot gewordenen Claire hin. »Sie hat mir alles gesagt.«
»Dann sollte sie das endlich auch der Polizei gegenüber tun«, gebe ich zurück. »Bin gleich wieder da.«
An der Tür drehe ich mich kurz um. Christine Lambert schüttelt den Kopf, und von Claires Lippen lese ich ein Wie konntest du nur ab.
»Enfin, ein Durchbruch!«, ruft Marcel ins Telefon. »Geh wieder rein und sag ihnen, was du weißt. Und beobachte sie genau. Ich simse dir, wenn ich im Krankenhaus bin; dann kommst du raus und sagst mir alles.«
»Ich finde, jetzt ist aber langsam wirklich ein Informantinnengehalt fällig.«
»Noch mehr Hammelbeine? Kein Problem.«
Im Krankenzimmer setze ich mich mit dem Rücken zum Fenster.
»Es scheint sich tatsächlich um Babette Schröder zu handeln«, fange ich an. »Heute heißt sie allerdings Barbara Gordon.«
»Ich weiß«, flüstert Claire mit gesenktem Haupt. »Und alles ist meine Schuld.«
»Unsinn!«, fährt Christine Lambert auf. »Du bist genauso ihr Opfer wie die anderen auch.«
»Aber wenn ich nicht gewesen wäre …«
»Fangen Sie doch bitte von vorne an«, fordere ich die junge Frau auf.
Alles begann mit einem Inserat im belgischen Grenz-Echo . Claire hatte gerade ihr Abitur gemacht und war unschlüssig, wie es mit ihr weitergehen sollte. Wie so vielen jungen Menschen in ihrer Lage schwebte ihr vor, irgendwas mit Menschen zu machen, vielleicht mit Alten oder Behinderten. Der Mann, für dessen Haushalt nahe dem schottischen Inverness eine deutschsprachige Au-pair gesucht wurde, war beides, alt und behindert.
»Was für ein Zufall, dass seine Frau genau wie Sie aus der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens stammte«, werfe ich an diesem Punkt ein. »Vielleicht hat es da ein kleines Empfehlungsschreiben gegeben? Von Pastor Lambert?«
Claire schüttelt traurig den Kopf.
»Das wusste ich doch damals gar nicht. Dass sie aus der DG war, meine ich. Und zu Pastor Lambert hatte ich schon seit Jahren keinen Kontakt mehr.«
»Stimmt«, sagt Christine Lambert, »sonst wären wir uns ja früher begegnet. Ich habe Sie und den Polizeiinspektor nicht angelogen, Frau Klein; ich wusste wirklich nicht, was aus Babette geworden war.«
»Warum hat sie im Grenz-Echo inseriert?«
»Sie hat gesagt, dass sie die Musik ihrer Kindersprache wieder hören wollte«, erwidert Claire, »aber dann hat sie dauernd an meinem Dialekt herumgemäkelt.« Sie schraubt ihre Stimme künstlich hoch: »›Hamish holt seine Medikamente nicht ein, Claire, er nimmt sie ein! Und zwar nicht für sich, sondern um sich besser zu fühlen, merk dir das endlich.‹ Dauernd hat sie mich korrigiert.«
»Sie war schon als Kind ein Klugscheißerchen«, sagt Christine. »Und hielt sich auch für was Besseres, obwohl sie nur ein Dorfkind war und damals nach nichts aussah. Da ist leider mein Bruder mit dran schuld. Der hat ihr Flausen in den Kopf gesetzt. Von wegen Klugheit und so. Das hat ihn wahrscheinlich das Leben gekostet.«
»Damals brauchte sie sicher Zuspruch, nach allem, was sie durchgemacht hatte«, werfe ich ein und wende mich wieder an Claire. »Wie lange waren Sie in Inverness?«
»Ein Jahr.« Sie starrt mich aus leeren Augen an, schlägt dann die Hände vors Gesicht und beginnt zu weinen.
»Alles meine Schuld«, höre ich zwischen Schluchzern. Christine hockt neben Claire und hält sie fest.
»Gar nicht wahr«,
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