Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
auf?«
»Selbstverständlich. Er hat nicht weniger als zwanzigtausend Francs dafür ausgeworfen, in dem Wunsch, daß ich standesgemäß reise. Die Fahrkarte nach Lissabon und das Schiffsbillett nach Argentinien, wohin ich zuerst fahren soll, sind noch nicht einmal darin eingeschlossen. Papa hat sie mir selbst besorgt und auf der ›Cap Arcona‹ eine Kajüte für mich belegt. Die zwanzigtausend hat er bei der Banque de France hinterlegt, aber in Form eines sogenannten Zirkular-Kreditbriefes, der auf die Banken an den Hauptstationen der Reise lautet, sind sie in meinen Händen.« Ich wartete.
»Den Kreditbrief übergebe ich natürlich Ihnen«, setzte
er hinzu.
Ich schwieg noch immer. Er ergänzte:
»Die schon gekauften Fahrkarten natürlich auch.«
»Und wovon«, fragte ich, »wollen Sie leben, während Sie in meiner Person Ihr Geld verzehren?«
»Wovon ich – Ach so! Sie machen mich ganz perplex. Sie haben aber auch eine Art, zu fragen, als ob Sie es darauf absähen, mich in Ratlosigkeit zu versetzen. Ja, lieber Kroull, wie machen wir denn das? Ich bin wirklich nicht gewöhnt, darüber nachzudenken, wovon ich das nächste Jahr leben soll.«
»Ich wollte Sie nur darauf aufmerksam machen, daß es nicht so einfach ist, seine Person auszuleihen. Doch stellen wir die Frage zurück! Ich lasse mich ungern zu ihrer Beantwortung drängen, denn das heißt, etwas wie Gerissenheit bei mir voraussetzen, aber wo es Gerissenheit gilt, bin ich schlecht zu gebrauchen. Gerissenheit ist nicht gentlemanlike.«
»Ich hielt nur für möglich, lieber Freund, daß es Ihnen gelänge, aus Ihrer anderen Existenz etwas Gerissenheit in die als Gentleman hinüberzuretten.«
»Was die beiden Existenzen verbindet, ist etwas viel Dezenteres. Es sind einige bürgerliche Ersparnisse, ein kleines Bankkonto …«
»Auf das ich unter keinen Umständen zurückgreifen kann!«
»Wir werden es irgendwie in unsere Kalkulation ein
beziehen müssen. Haben Sie übrigens etwas zu schreiben
bei sich?«
Er befühlte rasch seine Taschen.
»Ja, meinen Füllfederhalter. Aber kein Papier.«
»Hier ist welches.« Und ich riß ein Blatt aus meinem Taschenbuch. »Es würde mich interessieren, Ihren Namenszug zu sehen.«
»Warum? – Wie Sie wollen.« Hand und Feder sehr schräg nach links gestellt, malte er seine Unterschrift hin und schob sie mir zu. Schon umgekehrt war sie sehr drollig anzusehen gewesen. Sie verschmähte den Schnörkel am Schluß, fing vielmehr gleich damit an. Das zeichnerisch aufgeplusterte L setzte seine untere Schleife weit rechtshin fort, ließ sie im Bogen zurückkehren und das Initial selbst von vorn durchstreichen, um dann, eingeschlossen vom vorgebildeten Oval, in enger und links geneigter Steilschrift als -ouis Marquis de Venosta weiterzulaufen. – Ich konnte mich eines Lächelns nicht enthalten, nickte ihm aber beifällig zu.
»Vererbt oder selbst erfunden?« fragte ich, indem ich die Füllfeder an mich nahm.
»Vererbt«, sagte er. »Papa macht es geradeso. Nur nicht so gut«, fügte er bei.
»Sie haben ihn also überflügelt«, sprach ich mechanisch, denn ich war mit einem ersten Versuch der Nachahmung beschäftigt, der recht gut ausfiel. »Ich brauche es gottlob nicht besser zu machen als Sie. Das wäre sogar ein Fehler.« Dabei fertigte ich eine zweite Kopie, – zu meiner geringeren Zufriedenheit. Die dritte aber war ohne Tadel. Ich strich die beiden oberen aus und reichte ihm das Blatt. Er war verblüfft.
»Unglaublich!« rief er. »Meine Schrift, wie heruntergerissen! Und Sie wollen nichts von Gerissenheit hören! Ich bin aber selbst nicht so ungerissen, wie Sie wohl glauben, und verstehe ganz gut, warum Sie das üben. Sie brauchen meine Unterschrift zum Erheben der Kreditbrief-Beträge.«
»Wie zeichnen Sie, wenn Sie an Ihre Eltern schreiben?«Er stutzte und rief:
»Natürlich, ich muß von einigen Stationen wenigstens den Alten schreiben, zum mindesten Postkarten. Mensch, Sie denken an alles! Ich heiße Loulou zu Hause, weil ich mich selbst als Kind so genannt habe. Ich mache das so.«
Er machte es nicht anders als mit dem vollen Namen: malte das plustrige L, zog das Oval und kreuzte damit von vorn die Arabeske, die dann im Gehäuse als -oulou schräg links gesteilt weiterging.
»Gut«, sagte ich, »das können wir. Haben Sie irgendein
Blatt von Ihrer Hand bei sich?«
Er bedauerte, keines zu haben.
»So schreiben Sie bitte.« Ich reichte ihm frisches Papier. »Schreiben Sie: ›Mon cher Papa, allerliebste
Weitere Kostenlose Bücher