Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
zurückgrüßen. Ein letztes Glas auf das Wohl des Gentlemans, der wir sind!«
Unser Zusammensein hier oben hatte die stillen Stunden der Teaterzeit überdauert. Wir brachen auf, als die Hochterrasse sich in der milden Nacht wieder zu füllen begann. Gegen meinen Protest bezahlte er beide Diners und vier Flaschen Lafitte. Er war sehr wirr vor Freude zugleich und vom Wein. »Zusammen, alles zusammen!« wies er den kassierenden Oberkellner an. »Wir sind ein und derselbe. Armand de Kroullosta ist unser Name.«
»Sehr wohl«, entgegnete der Mann mit allduldsamen Lächeln, das ihm um so leichter fallen mochte, als sein Trinkgeld enorm war.
Venosta brachte mich in einem Fiacre zu meinem Revier, wo er mich absetzte. Unterwegs hatten wir ein weiteres Zusammentreffen verabredet, bei dem ich ihm meinen Barbesitz und er mir seinen Kreditbrief nebst den vorhandenen Fahrscheinen überhändigen sollte. »Bonne nuit, à tantôt, monsieur le Marquis«, sagte er mit betrunkener Grandezza, als er mir zum Abschied die Hand schüttelte, – ich hörte die Anrede zum ersten Mal aus seinem Munde, und der Gedanke an den Ausgleich
von Sein und Schein, den das Leben mir gewähren, an den Schein, den es dem Sein gebührend hinzufügen wollte, überrieselte mich mit Freude.
Fünftes Kapitel
W ie doch das erfinderische Leben die Träume unse rer Kindheit zu verwirklichen – sie gleichsam aus Nebelzustand in den der Festigkeit zu überführen weiß! Hatte ich die Reize des Inkognitos, die ich jetzt kostete, indem ich noch eine kleine Weile mein dienendes Handwerk weiterbetrieb, nicht phantasieweise schon als Knabe vorweggenommen, ohne daß sonst irgend jemand von meiner Prinzlichkeit eine Ahnung hatte? Ein so lustiges wie süßes Kinderspiel. Jetzt war es Wirklichkeit geworden in dem Maß, bis zu dem Grade, daß ich für eine Frist, über die hinauszusorgen ich mich weigerte, nämlich für ein Jahr, den Adelsbrief eines Markgrafen sozusagen in der Tasche hatte, – ein köstliches Bewußtsein, das ich wie einst vom Augenblick des Erwachens an durch den Tag trug, wiederum ohne daß meine Umgebung, das Haus, in dem ich den blaubefrackten Bediensteten spielte, sich dessen im geringsten versah.
Mitfühlender Leser! Ich war sehr glücklich. Ich war mir kostbar und liebte mich – auf jene gesellschaftlich nur ersprießliche Art, welche die Liebe zu sich selbst als Liebenswürdigkeit gegen andere nach außen schlagen läßt. Einen Dummkopf hätte das Bewußtsein, in dem ich wandelte, vielleicht zur Bekundung von Dünkel, zur Unbotmäßigkeit und Frechheit nach oben, zu hochnäsiger Unkameradschaftlichkeit nach unten verführt. Was mich betrifft, so war meine Artigkeit gegen die Gäste des Speisesaals nie gewinnender, die Stimme, mit der ich zu ihnen sprach, nie weich-verhaltener, mein Betragen gegen diejenigen, die mich für ihren Standesgenossen hielten, die Kellnerkollegen, die Schlafgenossen im Oberstock, nie heiter-kordialer gewesen als in jenen Tagen, – gefärbt, das mag sein, von meinem Geheimnis, umspielt von einem Lächeln, das aber dieses Geheimnis mehr hütete als es verriet: es hütete schon aus purer Besonnenheit, denn ich konnte wenigstens anfangs nicht unbedingt sicher sein, ob nicht der Träger meines nun wahren Namens vielleicht schon am Morgen nach unserer Ratssitzung, in ernüchterter Verfassung, die Abrede bereut hatte und sie zurücknehmen werde. Ich war vorsichtig genug, nicht von heute auf morgen meinen Brotgebern den Dienst aufzusagen; im Grunde aber konnte ich meiner Sache sicher sein. Zu glücklich war Venosta über die gefundene – von mir früher als von ihm gefundene – Lösung gewesen und Zaza’s Magnetismus war mir Gewähr seiner Treue. Ich täuschte mich nicht. Am Abend des 0. Juli hatte unsere große Verabredung stattgefunden, und nicht wohl vor dem 24. konnte ich mich zu der weiteren, abschließenden Begegnung mit ihm frei machen. Aber schon am 7. oder 8. sah ich ihn wieder, da er an einem dieser Abende mit seiner Freundin bei mir im Speisesaal dinierte, nicht ohne mich, indem er meine Beharrlichkeit anrief, der seinen sicher zu machen. »Nous persistons, n’est-ce pas?« raunte er mir beim Servieren zu, und was ich zurückgab, war ein so bestimmtes wie diskretes »C’est entendu«. Ich bediente ihn mit einer Achtung, die im Grunde auf Selbstachtung hinauslief, und nannte Zaza, die es an schelmischem Augenspiel und heimlichem Gezwinker nicht fehlen ließ, mehr als einmal »madame la
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