Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
gelegentlich abtreten. Auch das habe ich natürlich nicht von meinen Eltern, – die wissen gar nicht, was sie mir mit der Weltreise alles bieten, aber muß ich ihnen bei noch soviel Unempfänglichkeit nicht theoretisch sehr dankbar sein für ihre großzügige Auflage?«
»Unbedingt, Marquis. Aber sie übernehmen meine Rolle, sprechen sozusagen mit meinem Munde. Es wäre ja an mir, Sie nach Möglichkeit mit dem Gedanken der von Ihnen so verabscheuten Reise zu versöhnen, nämlich durch den Hinweis auf alle die Vorteile, die sie Ihnen böte – Ihnen bieten wird –, und während Sie telephonierten, nahm ich mir vor, gerade diesen Versuch zu machen.«
»Sie hätten tauben Ohren gepredigt – und hätten Sie mir hundertmal gestanden, wie sehr Sie mich beneiden, allein um die Hüften.«
»Beneiden? Nun, Marquis, das ist nicht ganz richtig. Der Neid hätte mich nicht inspiriert bei meinen gutgemeinten Vorhaltungen. Ich bin nicht sonderlich reiselustig. Was braucht ein Pariser in die Welt zu gehen? Sie kommt ja zu ihm. Sie kommt zu uns ins Hotel, und wenn ich um die Zeit des Teaterschlusses auf der Terrasse des Café de Madrid sitze, so habe ich sie bequem zur Hand und vor Augen. Ich brauche Ihnen das nicht zu beschreiben.«
»Nein, aber bei dieser Blasiertheit haben Sie sich zuviel vorgenommen, wenn Sie gedachten, mir die Reise plausibel zu machen.«
»Lieber Marquis, ich versuche es trotzdem. Wie sollte ich nicht darauf sinnen, mich für Ihr Vertrauen erkenntlich zu erweisen? Ich habe schon daran gedacht, Ihnen vorzuschlagen, Mademoiselle Zaza einfach auf die Reise mitzunehmen.«
»Unmöglich, Kroull. Wo denken Sie hin? Sie meinen es gut, aber wo denken Sie hin! Zaza’s Kontrakt mit den ›Folies musicales‹ lasse ich beiseite. Kontrakte kann man brechen. Aber ich kann nicht mit Zaza reisen und sie zugleich verstecken. Ohnehin hat es seine Schwierigkeiten, eine Frau mit der man nicht verheiratet ist, durch die Welt zu führen. Aber ich wäre ja auch nicht unbeobachtet, meine Eltern haben Beziehungen da und dort, zum Teil offizieller Art, und unvermeidlich würden sie erfahren, wenn ich durch das Mitnehmen Zaza’s die Reise um ihren Sinn und Zweck brächte. Sie wären außer sich! Sie würden mir die Kreditbriefe sperren. Da ist zum Beispiel ein längerer Besuch auf einer argentinischen Estancia vorgesehen, bei einer Familie, deren Bekanntschaft die Eltern einmal in einem französischen Bade gemacht haben. Soll ich Zaza wochenlang allein in Buenos Aires zurücklassen, allen Gefahren dieses Pflasters ausgesetzt? Ihr Vorschlag ist undiskutierbar.«
»Ich wußte es beinahe, als ich ihn machte. Ich ziehe ihn zurück.«
»Das heißt, Sie lassen mich im Stich. Sie ergeben sich für mich darein, daß ich allein reisen muß. Sie haben gut sich ergeben! Aber ich kann es nicht. Ich muß reisen und will dableiben. Das heißt: ich muß nach dem Unvereinbaren trachten, zugleich zu reisen und dazubleiben. Das heißt wiederum: ich muß mich verdoppeln, mich zweiteilen; ein Teil von Louis Venosta muß reisen, während der andere in Paris bei seiner Zaza bleiben darf. Ich lege Wert darauf, daß dies der eigentliche wäre. Kurzum, die Reise müßte nebenherlaufen. Louis Venosta müßte hier und dort sein. Folgen sie dem Ringen meiner Gedanken?«
»Ich versuche es, Marquis. Mit anderen Worten: es
müßte so aussehen, als ob Sie reisten, in Wirklichkeit
aber blieben Sie zu Hause.«
»Verzweifelt richtig!«
»Verzweifelt darum, weil niemand aussieht wie Sie.« »In Argentinien weiß niemand, wie ich aussehe. Ich habe nichts dagegen, anderwärts anders auszusehen. Es wäre mir geradezu lieb, wenn ich dort besser aussähe als hier.«
»So müßte also Ihr Name reisen, verbunden mit einer
Person, die nicht Sie wäre.«
»Die aber nicht die erstbeste sein dürfte.«
»Das will ich meinen. Man könnte da nicht wählerisch genug sein.«
Er schenkte sich voll ein, trank in großen Schlucken aus und setzte das Glas nachdrücklich auf den Tisch.
»Kroull«, sagte er, »was an mir liegt, meine Wahl ist
getroffen.«
»So rasch? Bei so wenig Umschau?«
»Wir sitzen uns hier doch schon eine ganze Weile
gegenüber.«
»Wir? Was haben Sie im Sinn?«
»Kroull«, wiederholte er, »ich nenne Sie bei Ihrem Namen, der der Name eines Mannes aus guter Familie ist und den man natürlich auch nur vorübergehend nicht leicht verleugnet, selbst wenn man dafür das Ansehen eines Mannes von Familie gewinnt.
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