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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Mama, von diesem bedeutenden Punkt meiner Reise, einer höchst sehenswerten Stadt, sende ich Euch meine dankbaren Grüße. Ich schwelge in neuen Eindrücken, die mich so manches vergessen lassen, was mir in früheren Zeiten unentbehrlich schien. Euer Loulou.‹ So ungefähr.« »Nein, genau so! Das ist ja vorzüglich, Kroull, vous êtes admirable! Wie Sie das aus dem Ärmel schütteln –« Und er schrieb meine Sätze, die Hand links gedreht, in Steillettern, die ebenso eng ineinanderhingen, wie die meines seligen Vaters weit auseinandergezogen, die aber um nichts schwerer nachzuahmen waren als diese. Ich steckte die Muster zu mir. Ich fragte ihn nach den Namen des Dienstpersonals auf dem Schlosse zu Hause, nach dem Koch, der Ferblantier, und dem Kutscher, der Klosmann hieß, nach dem Kammerdiener des Marquis, einem schon zittrigen hohen Sechziger namens Radicule, und der Zofe der Marquise, Adelaide gerufen. Selbst nach den Haustieren, den Reitpferden, dem Windspiel Fripon, dem Malteser Schoßhündchen der Marquise, Minime, einem Wesen, das viel an Diarrhoe litt, erkundigte ich mich genau. Unsere Heiterkeit wuchs, je länger die Sitzung dauerte, aber Loulou’s Geistesklarheit und Unterscheidungsgabe erfuhr mit der Zeit eine gewisse Herabsetzung. Ich wunderte mich, daß er nicht auch nach England, nach London gehen sollte. Der Grund war, daß er es schon kannte, in London sogar zwei Jahre als Zögling einer Privatschule verbracht hatte. »Trotzdem«, sagte er, »wäre es sehr gut, wenn London in das Programm einbezogen werden könnte. Wie leicht könnte ich dann den Alten ein Schnippchen schlagen und mitten in der Reise von dort einen Sprung nach Paris und zu Zaza tun!«
       »Aber Sie sind ja die ganze Zeit bei Zaza!«
       »Richtig!« rief er. »Das ist ja das wahre Schnippchen. Ich dachte da an ein falsches, das gegen das wahre nicht in Betracht kommt. Pardon. Ich bitte recht sehr um Entschuldigung. Das Schnippchen ist, daß ich in neuen Eindrücken schwelge, indessen aber bei Zaza bleibe. Wissen Sie, daß ich auf meiner Hut sein muß und mich nicht etwa von hier aus nach Radicule, Fripon und Minime erkundigen darf, während ich gleichzeitig vielleicht von Sansibar aus nach ihrem Befinden frage? Das wäre natürlich nicht zu vereinigen, obgleich eine Vereinigung der Personen – bei weiter Entfernung voneinander – stattzufinden hat … Hören Sie, die Situation bringt es mit sich, daß wir auf den Duzfuß miteinander treten sollten! Haben Sie etwas dagegen? Wenn ich zu mir selber spreche, sage ich auch nicht Sie zu mir. Ist das ausgemacht? Trinken wir aus darauf! Dein Wohl denn, Armand – ich meine Felix – ich meine Loulou. Merke wohl, du darfst nicht von Paris aus dich nach Klosmann und Adelaide erkundigen, sondern nur von Sansibar aus. Übrigens gehe ich meines Wissens gar nicht nach Sansibar und du also auch nicht. Aber gleichviel – wo ich nun auch vorwiegend sei, soweit ich hierbleibe, ich muß jedenfalls aus Paris verschwinden. Da siehst du, wie scharf ich denke. Zaza und ich, wir müssen uns dünnemachen, um mich einer spitzbübischen Redewendung zu bedienen. Sagen die Spitzbuben etwa nicht ›sich dünnemachen‹? Aber wie sollst du, ein Gentleman und nun ein junger Mann von Familie, das wissen! Ich muß meine Wohnung kündigen und die Zaza’s auch. Wir werden zusammen in eine Vorstadt ziehen, eine hübsche Vorstadt, sei es Boulogne oder Sèvres, und was von mir übrig ist – es ist genug, denn es ist bei Zaza –, tut vielleicht gut, einen anderen Namen anzunehmen, – die Logik scheint mir zu verlangen, daß ich mich Kroull nenne, – allerdings muß ich dafür deine Unterschrift erlernen, wozu hoffentlich meine Gerissenheit reicht. Dort also, während ich reise, in Versailles oder weiter fort, werde ich Zaza und mir ein Liebesnest einrichten, ein glückselig spitzbübisches … Aber Armand, ich meine: eher Louis«, und er machte seine Äuglein so groß wie er konnte, »beantworte mir, wenn du kannst, eine Frage: Wovon sollen wir leben?«
       Ich antwortete ihm, wir hätten die Frage bereits gelöst, indem wir sie nur berührten. Ich geböte über ein Bank konto von zwölf tausend Francs, das im Austausch mit dem Kreditbrief zu seiner Verfügung stehe.
       Er war zu Tränen gerührt. »Ein Gentlemann!« rief er aus. »Ein Edelmann von Kopf zu Fuß! Wenn du kein Recht hast, Minime und Radicule grüßen zu lassen, wer hätte es dann? In ihrem Namen werden unsere Eltern herzlich

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