Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
sollte ich meinen? Zweifellos werde er recht haben, sagte ich, wenn er die Reiselust zum Teil auf diese Art Neugier oder »Neubegierde« zurückführe.
»So werden Sie«, fuhr er fort, »in dem Lande, dem Sie entgegenfahren, einer durch ihre Kunterbuntheit recht unterhaltenden Rassenmischung begegnen. Gemischt war schon die Urbevölkerung, Iberer, wie Sie natürlich wissen, mit keltischem Einschlag. Aber im Lauf von zweitausend Jahren haben Phönizier, Karthager, Römer, Vandalen, Sueven und Westgoten, dazu besonders die Araber, die Mauren, mitgearbeitet, den Typ zu schaffen, der Sie erwartet, – einen netten Zuschuß von Negerblut nicht zu vergessen, von den vielen schwarzhäutigen Sklaven her, die eingeführt wurden zu der Zeit, als man die ganze afrikanische Küste besaß. Sie dürfen sich nicht wundern über eine gewisse Qualität des Haares, gewisse Lippen, einen gewissen melancholischen Tierblick, die wohl einmal auftreten. Aber das maurisch-berberische Rassenelement, so werden Sie finden, wiegt entschieden vor – aus einer langen Periode arabischer Herrschaft. Das Gesamtresultat ist ein nicht eben reckenhafter, aber recht liebenswürdiger Schlag: dunkelhaarig, von etwas gelblicher Haut und eher zierlich von Statur, mit hübschen, intelligenten braunen Augen …«
»Ich freue mich aufrichtig«, sagte ich und fügte hinzu: »Darf ich fragen, mein Herr, ob Sie selbst Portugiese sind?«
»Doch nicht«, antwortete er. »Aber schon lange bin ich dort eingewurzelt. Nur auf einen Sprung war ich jetzt in Paris, – in Geschäften. In amtlichen Geschäften. – Was ich sagen wollte: Das arabisch-maurische Gepräge werden Sie bei einiger Umschau auch in der Architektur des Landes überall wiederfinden. Was Lissabon betrifft, so muß ich Sie auf seine Armut an historischen Baulichkeiten vorbereiten. Die Stadt, wissen Sie, liegt in einem Erdbebenzentrum, und allein das große Beben im vorigen Jahrhundert hat sie zu zwei Dritteln in Schutt gelegt. Nun, sie ist wieder zu einem recht schmucken Platz geworden und bietet Sehenswürdigkeiten, auf die ich Sie nicht genug hinweisen kann. Unser Botanischer Garten auf den westlichen Anhöhen, das sollte Ihr erster Gang sein. Er hat in ganz Europa nicht seinesgleichen dank einem Klima, worin die tropische Flora ebenso gedeiht wie die der mittleren Zone. Von Araukarien, Bambus, Papyros, Yuccas und jeder Art Palmen strotzt der Garten. Aber mit eigenen Augen werden Sie Pflanzen dort sehen, die eigentlich gar nicht der gegenwärtigen Vegetation unseres Planeten angehören, sondern einer früheren, nämlich Farnbäume. Gehen Sie sogleich und sehen Sie sich die Baumfarne aus der Steinkohlenzeit an! Das ist mehr als kurzatmige Kulturhistorie. Das ist Erdaltertum.«
Wieder kam das Gefühl unbestimmter Weitläufigkeit mich an, das seine Worte mir schon einmal erregt hatten.
»Ich werde gewiß nicht verfehlen«, versicherte ich.
»Sie müssen verzeihen«, glaubte er anfügen zu sollen, »daß ich Sie in dieser Weise mit Direktiven versehe und Ihre Schritte zu lenken suche. Wissen Sie aber, woran Sie mich erinnern?«
»Ich bitte, es mir zu sagen«, antwortete ich lächelnd.
»An eine Seelilie.«
»Das klingt nicht wenig schmeichelhaft.«
»Nur weil es Ihnen wie der Name einer Blume klingt. Die Seelilie ist aber keine Blume, sondern eine festsit zende Tierform der Tiefsee, zum Kreis der Stachelhäuter gehörig und davon wohl die altertümlichste Gruppe. Wir haben eine Menge Fossilien davon. Solche an ihren Ort gebundenen Tiere neigen zu blumenhafter Form, will sagen zu einer stern- und blütenartigen Rundsymmetrie. Der Haarstern von heute, Nachkomme der frühen Seelilie, sitzt nur noch in seiner Jugend an einem Stiele im Grunde fest. Dann macht er sich frei, emanzipiert sich und abenteuert schwimmend und kletternd an den Küsten herum. Verzeihen Sie die Gedankenverbindung, aber so, eine moderne Seelilie, haben Sie sich vom Stengel gelöst und gehen auf Inspektionsfahrt. Man ist versucht, den Neuling der Beweglichkeit ein wenig zu beraten … Übrigens: Kuckuck.«
Einen Augenblick dachte ich, es sei nicht ganz richtig mit ihm, verstand aber dann, daß er, obwohl soviel älter als ich, sich mir vorgestellt hatte.
»Venosta«, beeilte ich mich mit etwas schräger Verneigung gegen ihn zu erwidern, da man mir gerade von links den Fisch servierte.
»Marquis Venosta?« fragte er mit leichtem Emporziehen der Brauen.
»Bitte«, antwortete ich anheimstellend und beinahe abwehrend.
»Von
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