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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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der Luxemburger Linie, nehme ich an. Ich habe die Ehre, eine römische Tante von Ihnen zu kennen, Contessa Paolina Centurione, die ja eine geborene Venosta ist, vom italienischen Stamm. Und der ist wieder mit den Széchényis in Wien und also mit den Esterhazys von Galantha versippt. Sie haben, wie Sie wissen, überall Vettern und Nebenverwandte, Herr Marquis. Meine Beschlagenheit darf Sie nicht überraschen. Geschlechts- und Abstammungskunde ist mein Steckenpferd, – besser gesagt: meine Profession. Professor Kuckuck«, vervollständigte er seine Vorstellung. »Paläontolog und Direktor des Naturhistorischen Museums in Lissabon, eines noch nicht genügend bekannten Instituts, dessen Gründer ich bin.«
       Er zog sein Täschchen und reichte mir seine Karte hinüber, was mich bestimmte, ihm auch meine, das heißt: diejenige Loulou’s, zu geben. Auf seiner fand ich seine Vornamen: Antonio José, seinen Titel, sein Amtsverhältnis und seine Lissabonner Adresse. Was die Paläontologie betraf, so hatten mir seine Reden über die Bewandtnis, die es mit diesem Fach hatte, einige Fingerzeige gegeben.
    Wir lasen beide mit dem Ausdruck von Achtung und Vergnügen. Dann steckten wir die beiderseitigen Karten zu uns, indem wir kurz dankende Verbeugungen tauschten.
       »Ich kann wohl sagen, Herr Professor«, fügte ich artig hinzu »daß ich Glück gehabt habe mit meiner Tischanweisung.«
       »Durchaus meinerseits«, erwiderte er, – Wir hatten bisher französisch gesprochen; jetzt erkundigte er sich:
       »Ich vermute, Sie beherrschen das Deutsche, Marquis Venosta? Ihre Frau Mutter, soviel ich weiß, stammt aus dem Gothaischen – meiner eigenen Heimat nebenbei –, eine geborene Baroneß Plettenberg, wenn ich nicht irre? Sehen Sie, ich bin im Bilde. Wir können also wohl …« Wie hatte Louis nur versäumen können, mich zu instruieren, daß meine Mutter eine Plettenberg war! Ich fing es als Neuigkeit auf und ließ es mir zur Bereicherung meines Gedächtnisses dienen.
    »Aber gern«, antwortete ich, die Sprache wechselnd, auf seinen Vorschlag. »Mein Gott, als ob ich nicht während meiner ganzen Kindheit reichlich deutsch geplappert hätte, nicht nur mit Mama, sondern auch mit unserem Kutscher Klosmann!«
    »Und ich«, versetzte Kuckuck, »bin meiner Muttersprache fast ganz entwöhnt und nehme nur zu gern die Gelegenheit wahr, mich wieder einmal in ihren Formen zu bewegen. Ich bin jetzt siebenundfünfzig, – fünfundzwanzig Jahre sind es schon, daß ich nach Portugal kam. Ich habe ein Landeskind geheiratet – eine geborene da Cruz, da wir schon bei Namen und Herkünften sind –, erzportugiesisches Blut, und dem liegt, wenn schon fremd geredet werden soll, das Französische entschieden näher als das Deutsche. Auch unsere Tochter, bei aller Zärtlichkeit, die sie mir trägt, ist sprachlich dem Papa nicht entgegengekommen und zieht es vor, neben dem Portugiesischen sehr reizend Französisch zu plaudern. Überhaupt ein reizendes Kind. Zouzou nennen wir sie.« »Nicht Zaza?«
    »Nein, Zouzou. Es kommt von Suzanna. Woher mag Zaza kommen?«
    »Ich kann es beim besten Willen nicht sagen. Ich bin
    dem Namen gelegentlich begegnet – in Künstlerkrei
sen.«
»Sie bewegen sich in Künstlerkreisen?«
    »Unter anderem. Ich bin selbst ein wenig Künstler, Maler, Graphiker. Ich studierte bei Professor Estompard, Aristide Estompard von der Académie des Beaux Arts.« »Oh, ein Künstler zu alledem. Sehr erfreulich.«
    »Und Sie, Herr Professor, waren in Paris gewiß im Auftrage Ihres Museums?«
    »Sie erraten es. Zweck meiner Reise war, vom Paläozoologischen Institut ein paar uns wichtige Skelettfragmente zu erwerben, – Schädel, Rippen und Schulterblatt einer längst ausgestorbenen Tapir-Art, von der über viele Entwicklungsstufen hin unser Pferd abstammt.« »Wie, das Pferd stammt vom Tapir?«
    »Und vom Nashorn. Ja, Ihr Reitpferd, Herr Marquis, hat sehr verschiedene Erscheinungsformen durchlaufen. Zeitweise, obgleich schon Pferd, hatte es Liliput-Format. Oh, wir haben gelehrte Namen für alle seine früheren und frühesten Zustände, Namen, die alle auf ›hippos‹, ›Pferd‹, ausgehen, angefangen mit ›Eohippos‹, – jener Stamm-Tapir nämlich lebte im Erdalter des Eozäns.« »Im Eozän. Ich verspreche Ihnen, Professor Kukkuck, mir das Wort zu merken. Wann schrieb man das Eozän?«
    »Kürzlich. Es ist Erdenneuzeit, etwelche hunderttausend Jahre zurück, als zuerst die Huftiere aufkamen. – Übrigens wird es

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