Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
Einzelheiten familiärer und gesellschaftlicher Art nach seinen Winken, wenn auch verspätet und nachträglich, einzugehen vermöchte. Was ihm noch einfiel, war, daß er sich ja in der Malerei versuchte und daß ich an seiner Stelle wohl auch wenigstens gelegentlich, Anzeichen davon würde an den Tag legen müssen. Wie ich das, nom d’un nom, denn machen wolle! – Wir dürften, sagte ich, deswegen nicht verzagen. Und ich ließ mir sein Skizzenbuch reichen, das einige auf rauhem Papier mit sehr weichem Bleistift oder Kreide ausgeführte Landschaftswischereien, außerdem mehrere weibliche Porträtköpfe, Halb- und Ganzakte zeigte, zu denen offenbar Zaza ihm Modell gestanden oder – gelegen hatte. Den Köpfen, entworfen – ich möchte sagen – mit einer gewissen ungerechtfertigten Kühnheit, war Ähnlichkeit zuzugestehen, – nicht viel, aber sie war vorhanden. Die Landschaftsskizzen angehend, so war ihnen etwas unkontrollierbar Schattenhaftes und gegenständlich kaum Erkennbares verliehen, einfach dadurch, daß alle Linien, kaum gezogen, mit einem Wisch-Utensil so gut wie aufgehoben und ineinander genebelt waren, – künstlerische oder auch schwindelhafte Methode, ich bin nicht berufen, das zu entscheiden, wohl aber entschied ich sofort, daß, ob es nun Mogelei zu nennen war oder nicht, ich es jedenfalls auch könne. Ich erbat mir einen seiner weichen Stifte, dazu das mit einer vom vielen Gebrauch schon ganz geschwärzten Filzkappe versehene Stäbchen, womit er seinen Produkten die Weihe der Unklarheit gab, und zeichnete, nachdem ich flüchtig in die Luft geblickt, stümperhaft genug, eine Dorfkirche mit vom Sturme gebeugten Bäumen daneben, indem ich aber schon während der Arbeit die Kinderei mit dem Filzwisch in lauter Genialität hüllte. Louis schien etwas betreten, als ich ihm das Blatt zeigte, doch auch erfreut, und erklärte, daß ich mich unbedenklich damit sehen lassen könne.
    Um seiner Ehre willen beklagte er es, daß mir keine Zeit blieb, nach London zu fahren, um mir bei dem berühmten Schneider Paul, den er selbst oft beschäftigte, die notwendigen Anzüge, den Frack, den Gehrock, den Cutaway mit feingestreiftem Beinkleid, die hellen, dunklen, marineblauen Sakkos machen zu lassen, zeigte sich aber desto angenehmer berührt von meiner genauen Kenntnis dessen, was mir not tat an standesgemäßer Equipierung mit leinener und seidener Leibwäsche, allerlei Schuhwerk, Hüten und Handschuhen. Vieles davon hatte ich Muße, mir noch in Paris anzuschaffen, ja hätte ganz gut ein paar sogleich benötigte Anzüge noch hier in Maßarbeit geben können, verzichtete aber auf diese Umständlichkeit mit der frohen Begründung, daß eine auch nur leidliche Konfektion sich an mir ausnehme wie teuerstes Maßwerk. Die Beschaffung eines Teils des Erforderlichen, besonders der weißen Tropengarderobe, wurde bis Lissabon verschoben. Venosta überließ mir für meine Pariser Einkäufe ein paar hundert Franken, welche die Eltern ihm für seine Reise-Adjustierung zurückgelassen, und vermehrte sie um einige weitere hundert von dem Kapital, das ich ihm zugebracht. Aus freiem Anstand versprach ich, ihm diese Gelder aus meinen Ersparnissen während der Reise zurückzuerstatten. Sein Skizzenbuch, Zeichenstifte und den hilfreichen Wischer gab er mir auch, ein Päckchen Visitenkarten mit unserem Namen und seiner Adresse obendrein; umarmte mich, indem er mich unter unbändigem Lachen auf den Rücken klopfte, wünschte mir die erdenklichste Schwelgerei in neuen Eindrücken und entließ mich so in die Weite. –
    Zwei Wochen und wenige Tage noch, geneigter Leser, und ich rollte ihr entgegen, dieser Weite, wohl installiert in einem spiegelgeschmückten, grau-plüschenen Halbcoupé erster Klasse des Nord-Süd-Expreß, am Fenster, den Arm auf die Klapplehne der Sofabank gestützt, das Hinterhaupt am Spitzenschutz der bequemen Rückenlehne, ein Bein über das andere geschlagen, gekleidet in wohlgebügelten englischen Flanell mit hellen Gamaschen über den Lackstiefeln. Mein dicht gepackter Kajütenkoffer war aufgegeben, mein Handgepäck aus Kalbs- und Krokodilleder, durchaus mit dem eingepreßten Monogramm L d V und der neunzackigen Krone versehen, lag über mir im Netze.
    Mich verlangte nach keiner Beschäftigung, keiner Lektüre. Zu sitzen und zu sein, was ich war, – welcher Unterhaltung sonst noch bedurfte es? Sanft und träumerisch war meine Seele davon bewegt, aber derjenige würde fehlgehen, der glaubte, meine Zufriedenheit

Weitere Kostenlose Bücher