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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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sachlich bei Namen nennt, deckt es sich keineswegs mit der Bezeichnung, die sich mir aufdrängte, da doch etwas eigentümlich Moralisches im Spiele sein muß, wenn aus Augensternen, die jeder hat, Sternenaugen werden sollen.
    Ihr Blick wich nicht so bald von mir; er begleitete mein Niedersitzen, hielt den meinen fest, und während er anfangs nur in einem Schauen von sanftem Ernst bestanden hatte, erblinkte nach kurzem ein gewissermaßen zustimmendes, oder soll ich sagen: beifälliges Lächeln darin, begleitet im Bärtchen von einem Schmunzeln des Mundes, der, sehr verspätet, als ich schon saß und nach der Menukarte griff, meinen Gruß erwiderte. Es war gerade, als hätte ich diese Höflichkeit verabsäumt und der Sternenäugige ginge mir darin mit belehrendem Beispiel voran. Unwillkürlich wiederholte ich also mein »Bonsoir, monsieur«, er aber schloß daran die Worte:
    »Ich wünsche recht guten Appetit, mein Herr.« Mit dem Zusatz: »Ihre Jugend wird es daran nicht fehlen lassen.«
    Bedenkend, daß ein Mann mit Sternenaugen sich an Ungewöhnlichem dies und das erlauben könne, erwiderte ich mit einer lächernden Verbeugung, übrigens schon der Platte mit Ölsardinen, Gemüsesalat und Sellerie zugewandt, die man mir anbot. Da ich Durst hatte, gab ich dabei eine Flasche Ale in Auftrag, was der Graubart nun wieder, ohne den Vorwurf unerbetener Einmischung zu scheuen, mit einigen Worten guthieß.
    »Sehr vernünftig«, sagte er. »Sehr vernünftig, daß Sie sich ein kräftiges Bier zum Abendessen bestellen. Das beruhigt und fördert den Schlaf, während Wein meist erregend wirkt und den Schlaf beeinträchtigt, es sei denn, daß man sich schwer damit betrinkt.« »Was sehr gegen meinen Geschmack wäre.«
       »Ich nahm es an. – Übrigens wird nichts uns hindern, unsere Nachtruhe beliebig zu verlängern. Wir werden nicht vor Mittag in Lisboa sein. Oder liegt Ihr Ziel näher?«
       »Nein, ich fahre bis Lissabon. Eine weite Reise.«
       »Wohl die weiteste, die Sie bisher unternahmen?«
       »Aber eine verschwindende Strecke«, sagte ich, ohne seine Frage direkt zu beantworten, »im Vergleich mit all denen, die noch vor mir liegen.«
       »Sieh da!« versetzte er und stutzte scherzhaft beeindruckt mit Kopf und Brauen. »Sie sind darauf und daran, eine ernstliche Inspektion dieses Sternes und seiner gegenwärtigen Bewohnerschaft vorzunehmen.«
       Seine Bezeichnung der Erde als »Stern« tat es mir sonderbar an, im Zusammenhang mit der Beschaffenheit seiner Augen. Dazu erregte mir gleich das Wort »gegenwärtig«, das er der »Bewohnerschaft« beigab, ein Gefühl bedeutsamer Weitläufigkeit. Und dabei hatte seine Redeweise nebst dem sie begleitenden Mienenspiel viel von der Art, in der man zu einem Kinde, allerdings einem sehr feinen, spricht, – etwas zart Neckisches. In dem Bewußtsein, noch jünger auszusehen, als ich war, ließ ich es mir gefallen.
       Er hatte die Suppe abgelehnt und saß müßig mir gegenüber, höchstens damit beschäftigt, sich von seinem Vichy-Wasser einzuschenken, was mit Vorsicht zu geschehen hatte, da der Wagen stark rüttelte. Ich hatte vom Essen nur etwas verdutzt zu ihm aufgeblickt, ohne auf seine Worte weiter einzugehen. Aber offenbar wünschte er, die Konversation nicht abreißen zu lassen, denn er fing wieder an:
    »Nun, so weit Ihre Reise Sie immer führen möge, – Sie sollten den Anfang davon nicht auf die leichte Achsel nehmen, nur weil er eben bloß ein Anfang ist. Sie kommen in ein sehr interessantes Land von großer Vergangenheit, dem jede Reiselust Dank schuldet, da es ihr in früheren Jahrhunderten so manche Wege zuerst geöffnet hat. Lissabon, in dem Sie sich hoffentlich nicht zu flüchtig umsehen werden, war einmal die reichste Stadt der Welt, dank jenen Entdeckungsfahrten, – schade, daß Sie nicht fünfhundert Jahre früher dort vorgesprochen haben, – Sie hätten es damals eingehüllt gefunden in den Duft der Gewürzwaren überseeischer Reiche und hätten es Gold scheffeln sehen. An all dem schönen Außenbesitz hat die Geschichte betrübliche Reduktionen vorgenommen. Aber, Sie werden sehen, reizvoll sind Land und Leute geblieben. Ich nenne die Leute, weil doch in aller Reiselust ein gut Teil Verlangen steckt nach nie erfahrener Menschlichkeit, ein gut Teil von Neubegierde, in fremde Augen, fremde Physiognomien zu blicken, sich an einer unbekannten menschlichen Körperlichkeit und Verhaltungsweise zu erfreuen. Oder wie meinen Sie?«
    Was

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