Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
und Gebein – Mosaiken seien sie derselben Elementarteilchen, aus denen Sterne und Sternstaub, die dunklen getriebenen Dunstwolken des interstellaren Raumes beständen. Das Leben, hervorgerufen aus dem Sein, wie dieses einst aus dem Nichts, – das Leben, diese Blüte des Seins, – es habe alle Grundstoffe mit der unbelebten Natur gemein, – nicht einen einzigen habe es aufzuweisen, der nur ihm gehöre. Man könne nicht sagen, daß es sich unzweideutig gegen das bloße Sein, das unbelebte, absetze. Die Grenze zwischen ihm und dem Unbelebten sei fließend. Die Pflanzenzelle erweise die natürliche Möglichkeit, dem Steinreich angehörige Stoffe mit Hilfe des Sonnenäthers so umzubauen, daß sie in ihr Leben gewönnen. Das urzeugerische Vermögen des Blattgrüns gebe uns also ein Beispiel von der Entstehung des Organischen aus dem Unorganischen. Es fehle nicht am Umgekehrten. Wir hätten die Gesteinsbildung aus tierischer Kieselsäure. Zukünftige Festlandgebirge wüchsen im Meere, wo es am tiefsten sei, aus den Skelettresten winziger Lebewesen. Im Schein- und Halbleben der flüssigen Kristalle spiele augenfällig das eine Naturreich ins andre hinüber. Immer, wenn die Natur uns gaukelnd im Unorganischen das Organische vortäusche, wie in den Schwefel-, den Eisblumen, wolle sie uns lehren, daß sie nur eines sei.
Das Organische selbst kenne die klare Grenze nicht zwischen seinen Arten. Das Tierische gehe ins Pflanzliche über dort, wo es am Stengel sitze und Rund-Symmetrie, Blütengestalt annehme, das Pflanzliche ins Tierische, wo es das Tier fange und fresse, statt aus dem Mineralischen Leben zu saugen. Aus dem Tierischen sei durch Abstammung, wie man sage, in Wirklichkeit durch ein Hinzukommendes, das sowenig bei Namen zu nennen sei wie das Wesen des Lebens, wie der Ursprung des Seins, der Mensch hervorgegangen. Aber der Punkt, wo er schon Mensch sei und nicht mehr Tier, oder nicht mehr nur Tier, sei schwer zu bestimmen. Der Mensch bewahre das Tierische, wie das Leben das Unorganische in sich bewahre; denn in seinen letzten Bausteinen, den Atomen, gehe es ins Nicht-mehr-, ins Noch-nicht-Organische über. Im Innersten jedoch, dem untersichtigen Atom, verflüchtige die Materie sich ins Immaterielle, nicht mehr Körperliche; denn was dort umtreibe und wovon das Atom ein Überbau sei, das sei fast unter dem Sein, da es keinen bestimmbaren Platz im Raum noch einen nennbaren Betrag von Raum mehr einnehme, wie es einem redlichen Körper gebühre. Aus dem Kaum-schon-Sein sei das Sein gebildet, und es verfließe ins Kaum-noch-Sein. Alle Natur, von ihren frühesten, fast noch immateriellen und ihren einfachsten Formen bis zu den entwickeltsten und höchst lebendigen, sei immer versammelt geblieben und bestehe nebeneinander fort, – Sternnebel, Stein, Wurm und Mensch. Daß viele Tierformen ausgestorben seien, daß es keine fliegenden Echsen und keine Mammuts mehr gebe, hindere nicht, daß neben dem Menschen das gerade schon formbeständige Urtier fortlebe, der Einzeller, das Infusor, die Mikrobe, mit einer Pforte zur Einfuhr und einer zur Ausfuhr an ihrem Zeil-Leib, – mehr brauche es nicht, um Tier zu sein, und um Mensch zu sein, brauche es meistens auch nicht viel mehr. –
Das war ein Scherz von Kuckuck, ein kaustischer. Einem jungen Mann von Welt, wie mir, glaubte er wohl etwas kaustischen Scherz schuldig zu sein, und ich lachte denn auch, indem ich mit zitternder Hand meine sechste, nein, wohl meine achte demitasse gezuckerten Mokkas zum Munde führte. Ich habe gesagt und sage es wieder, daß ich außerordentlich erregt war, und zwar durch eine meine Natur fast überspannende Ausdehnung des Gefühls, die das Erzeugnis der Reden meines Tischgenossen über das Sein, das Leben, den Menschen war. Möge es so sonderbar klingen, wie es will, aber diese mächtige Ausdehnung hatte nahe zu tun mit dem, oder eigentlich: sie war nichts anderes als das, was ich als Kind, oder halbes Kind, mit dem Traumwort ›Die große Freude‹ bezeichnet hatte, einer Geheimformel meiner Unschuld, mit der zunächst etwas auf andere Weise nicht nennbares Spezielles bezeichnet werden sollte, der aber von früh an eine berauschende Weitdeutigkeit eigen gewesen war.
Es gebe den Fortschritt, sagte Kuckuck anschließend an seinen Scherz, ohne Zweifel gebe es ihn, vom Pithecanthropus erectus bis zu Newton und Shakespeare, das sei ein weiter, entschieden aufwärts führender Weg. Wie es sich aber verhalte in der übrigen Natur, so auch in
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