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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Blutswürde bietet …«
       Ich holte Atem. Meine Begleiterin räusperte sich sonor, nicht ohne dabei die Straffheit ihrer Haltung zu erhöhen.
       »Es ist nicht zu ändern«, fuhr ich fort, »daß die Vorsilbe ›Ur‹, le primordial, sich in alle meine Gedanken und Worte stiehlt. Das ist eben die Folge der paläontologischen Auflockerung, von der ich sprach. Was hätten mir ohne sie auch die Farnbäume bedeutet, die wir gesehen haben, selbst wenn ich darüber belehrt worden wäre, daß sie nach urtümlicher Auffassung zum Liebeszauber taugen? Alles ist mir seither so bedeutend geworden, – Dinge und Menschen – ich meine: Menschen und Dinge …«
       »Der wahre Grund Ihrer Empfänglichkeit, lieber Marquis, wird Ihre Jugend sein.«
       »Wie beglückend, Senhora, in Ihrem Munde das Wort ›Jugend‹ sich ausnimmt! Sie sprechen es mit der Güte der Reife. Mademoiselle Zouzou, wie es scheint, ärgert sich nur am Jugendlichen, ganz Ihrer Bemerkung gemäß, daß Jugend der Jugend meistens zu jung ist. Gewissermaßen galt das sogar auch für mich. Die Jugend allein und für sich würde auch nicht das Entzücken hervorbringen, worin ich lebe. Mein Vorzug ist, daß ich die Schönheit im Doppelbilde, als kindliche Blüte und in königlicher Reife mit Augen schauen darf …«
       Kurzum, ich sprach wunderhübsch, und nicht ungnädig ward meine Suade aufgenommen. Denn als ich mich am Fuße der Seilbahn, die meine Gesellschaft wieder zur Villa Kuckuck hinaufführen sollte, verabschiedete, um in mein Hotel zurückzukehren, ließ die Senhora fallen, man hoffe doch, mich vor meiner Abreise gelegentlich noch zu sehen. Dom Antonio habe ja angeregt, ich möchte, nach Gefallen, mit Zouzou’s sportlichen Freunden meine vernachlässigte Fertigkeit im Tennisspiel wieder auffrischen. Kein übler Gedanke vielleicht.
    Wahrhaftig kein übler, wenn auch ein verwegener

    Gedanke! Ich befragte Zouzou mit den Augen, und da sie mit Miene und Schultern eine Neutralität bekundete, die mir die Zusage nicht geradezu unmöglich machte, wurde stehenden Fußes für einen der nächsten Tage, den dritten von heute, die Verabredung zu einem morgendlichen Gastspiel getroffen, nach welchem ich, »zum Abschied«, noch einmal das Mittagsmahl der Familie teilen sollte. Nachdem ich mich über Maria Pia’s Hand geneigt und diejenige Zouzou’s, auch die Dom Miguels mit herzlichem Freimut geschüttelt, ging ich meines Weges, die Gestaltung der nächsten Zukunft besinnend.

    Neuntes Kapitel

    Lisbonne, den 25. August 895
Teuerste Eltern! Geliebte Mama! Verehrter und gleichfalls
so sehr lieber Papa!
       Diese Zeilen folgen dem Telegramm, mit dem ich Euch mein Eintreffen an hiesigem Orte anzeigte, in zu großem Abstande, als daß ich nicht fürchten müßte, mir Euer Befremden zugezogen zu haben. Es wird sich verdoppeln – ich muß dessen leider sicher sein – durch die Datierung meines Gegenwärtigen, welche so sehr Eueren Erwartungen, unseren Abmachungen und meinen eigenen Vorsätzen widerspricht. Seit zehn Tagen wähnt Ihr mich auf hoher See, und ich schreibe Euch noch von meinem ersten Reiseziel, aus der portugiesischen Hauptstadt. Ich werde Euch, hebe Eltern, diesen von mir selbst so unvorhergesehenen Tatbestand, einschließlich meines langen Schweigens, erklären und hoffe damit einen auf Euerer Seite zu befürchtenden Unmut im Keim zu ersticken. Alles fing damit an, daß ich auf der Reise hierher die Bekanntschaft eines hervorragenden Gelehrten namens Professor Kuckuck machte, dessen Gespräch, ich glaube es bestimmt, Eueren Geist, Euer Gemüt ebenso gefesselt und inspiriert haben würde, wie es bei Euerem Sohne der Fall war.
    Deutscher Herkunft, wie der Name sagt, aus dem Gothaischen stammend, gleich Dir, liebe Mama, und aus gutem Hause, wenn auch natürlich nicht von Familie, ist er Paläontolog seines Zeichens und lebt, urportugiesisch vermählt, seit langem in Lissabon, Begründer und Direktor des hiesigen Naturhistorischen Museums, das ich seither unter seiner persönlichen Führung besichtigt habe, und dessen wissenschafliche Darbietungen sowohl in paläozoologischer wie paläoanthropologischer Beziehung (diese Ausdrücke werden Euch geläufig sein) meinem Herzen außerordentlich nahegegangen sind. Kuckuck war es, der mir zuerst, indem er mich konversationell ermahnte, den Anfang meiner Weltfahrt nicht auf die leichte Achsel zu nehmen, nur weil es eben bloß ein Anfang sei, und mich in einer Stadt wie Lissabon

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