Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
sein, daß ich die zarte Anfälligkeit Deines Lieblings so der Belustigung preisgab; aber der Effekt, den ich damit erzielte, hätte Dich mit meiner Indiskretion versöhnt. Alles wandte sich der Ausgelassenheit zu, unter der der Prinz sich bog, wobei ihm sein Großkreuz vom Uniformkragen baumelte, und stimmte unwillkürlich in sie ein. Jedermann wollte nur noch mit ihm von Radicule, Adelaide und Minime hören und rief nach Da capos. Der pelzverbrämte Ungar hörte nicht auf, sich mit der Hand den Schenkel derart zu klatschen, daß es weh tun mußte, dem beleibten, für seinen Reichtum mehrfach besternten Weingroßhändler sprang durch die heftige Bewegung seines Bauches ein Knopf von der Weste, und unser Gesandter war höchlichst zufrieden.
Dies nun aber hatte zur Folge, daß er mir am Ende der Soirée unter vier Augen den Antrag machte, mich noch vor meiner Abreise Seiner Majestät dem König, Dom Carlos I., vorzustellen, der sich gleichfalls eben in der Hauptstadt befand, wie übrigens die auf dem Dach des Schlosses wehende Flagge von Braganza mir angezeigt hatte. Gewissermaßen sei es seine Pflicht, sagte Herr von Hüon, einen durchreisenden Sohn der Luxemburger hohen Gesellschaft, der überdies, so drückte er sich aus, ein junger Mann von »angenehmen Gaben« sei, dem Monarchen zu präsentieren. Außerdem sei das edle Gemüt des Königs – das Gemüt eines Künstlers, denn Seine Majestät male gern etwas in Öl, und das Gemüt eines Gelehrten dazu, da Höchstdieselben ein Liebhaber der Ozeanographie, das heißt: des Studiums der Meeresräume und der sie bevölkernden Lebewesen sei, – es sei bedrückt, dieses Gemüt, von politischen Sorgen, die schon gleich nach seiner Tronbesteigung, vor sechs Jahren, durch den Konflikt der portugiesischen und englischen Interessen in Zentral-Afrika davon Besitz ergriffen hätten. Damals habe seine nachgiebige Haltung die öffentliche Meinung gegen ihn erregt, und er sei geradezu dankbar gewesen für das englische Ultimatum, das seiner Regierung erlaubt habe, den Forderungen Britanniens unter formellem Protest zu weichen. Es habe jedoch mißliche Unruhen deswegen in den größeren Städten des Landes gegeben, und in Lissabon habe ein republikanischer Aufstand unterdrückt werden müssen. Nun aber die verhängnisvollen Defizits der portugiesischen Eisenbahnen, die vor drei Jahren zu einer schweren finanziellen Krisis und zu einem Akt des Staatsbankrotts, nämlich zu einer dekretierten Kürzung der staatlichen Verpflichtungen um zwei Drittel geführt habe! Das habe der Republikanischen Partei starken Auftrieb gegeben und den radikalen Elementen des Landes ihre Wühlarbeit erleichtert. Seiner Majestät sei sogar die wiederholte betrübende Erfahrung nicht erspart geblieben, daß die Polizei Verschwörungen zum Attentat auf seine Person eben noch rechtzeitig aufgedeckt habe. Meine Vorstellung könne als Einschaltung in den Gang der täglichen Routine-Audienzen vielleicht auf den hohen Herrn zerstreuend und erfrischend wirken. Womöglich, wenn das Gespräch es irgend erlaube, möge ich doch das Tema von Minime anzusteuern suchen, auf das heute abend der arme Prinz Joan Ferdinand so herzlich reagiert habe.
Ihr werdet verstehen, liebe Eltern, daß, bei meiner streng und freudig royalistischen Gesinnung und bei meinem enthusiastischen Hang (von dem Ihr vielleicht nicht einmal viel wußtet), mich vor legitimer Majestät zu beugen, dieser Vorschlag des Gesandten starke Anziehungskraft für mich besaß. Was seiner Annahme entgegenstand, war die leidige Tatsache, daß die Anberaumung der Audienz einige Tage, vier oder fünf, in Anspruch nehmen würde, und daß damit der Termin meiner Einschiffung auf der ›Cap Arcona‹ überschritten war. Was sollte ich tun? Mein Wunsch, vor dem König zu stehen, verschmolz mit den Ermahnungen meines gelehrten Mentors Kuckuck, einer Stadt wie Lissabon nicht zu flüchtige Aufmerksamkeit zu widmen, zu dem Entschluß, meine Dispositionen im letzten Augenblick durch das Überspringen eines Schiffes zu ändern. Ein Besuch auf dem Reisebureau lehrte mich, daß das nächstfolgende Schiff der gleichen Linie, die ›Amphitrite‹, die in etwa vierzehn Tagen Lissabon verlassen soll, schon stark besetzt sei und, der ›Cap Arcona‹ nicht ebenbürtig, mir kein recht standesgemäßes Accommodement bieten würde. Das vernünftigste, so beriet mich der Clerk, werde sein, daß ich die Rückkehr der ›Cap Arcona‹ in etwa sechs bis sieben Wochen, vom
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