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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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und war ihm mit ihren Novaro-Kindern in sein Stadthaus zu Buenos Aires und auf seine weitläufige, von der Stadt ziemlich entfernt in den Bergen gelegene Besitzung El Retiro gefolgt, wo die Familie fast immer lebte. Die bedeutende Witwenpension Frau Meyers war bei ihrer zweiten Heirat auf ihre Kinder übergegangen, die also nicht nur als einstige Erben des reichen Meyer, sondern schon jetzt und von sich aus vermögende junge Leute waren. Sie mochten achtzehn und siebzehn Jahre alt sein.
    »Senhora Meyer ist wohl eine Schönheit?« fragte Zouzou.
    »Ich weiß es nicht, Mademoiselle. Aber da sie so bald wieder einen Bewerber gefunden hat, nehme ich an, daß sie nicht häßlich ist.«
    »Das steht auch von den Kindern, diesen beiden Novaros, zu vermuten. Wissen Sie schon ihre Vornamen?« »Ich erinnere mich nicht, daß meine Eltern sie erwähnt hätten.«
    »Aber ich wette, daß Sie ungeduldig sind, sie zu erfah
ren.«
»Warum?«
    »Ich weiß nicht, Sie haben mit unverkennbarem Interesse von dem Pärchen gesprochen.«
    »Dessen bin ich mir nicht bewußt«, sagte ich heimlich betroffen. »Ich habe ja noch gar keine Vorstellung von ihnen. Aber ich gebe zu, daß das Bild anmutigen Geschwistertums von jeher einen gewissen Zauber auf mich ausgeübt hat.«
    »Ich bedaure, Ihnen so einzeln und allein entgegentreten zu müssen.«
    »Erstens«, erwiderte ich mit einer Verbeugung, »kann das einzelne ganz allein Zauber genug besitzen.« »Und zweitens?«
    »Zweitens? Ich habe gänzlich gedankenlos ›erstens‹ gesagt. Über ein ›zweitens‹ verfüge ich nicht. Höchstens, daß es noch andere reizende Kombinationen gibt als die geschwisterliche, ließe sich an zweiter Stelle bemerken.« »Patatípatatá!«
    »Man sagt nicht so, Zouzou«, mischte die Mutter sich in diesen Austausch. »Der Marquis wird sich Gedanken über deine Erziehung machen.«Ich versicherte, daß meine Gedanken über Mademoiselle Zouzou nicht so leicht aus ihrer respektvollen Bahn zu werfen seien. Man hob die Frühstückstafel auf und ging zum Kaffee wieder in den Salon hinüber. Der Professor erklärte, daß er sich an unserem botanischen Spaziergang nicht beteiligen könne, sondern in sein Bureau zurückkehren müsse. Er fuhr denn auch nur noch mit uns zur Stadt hinunter und verabschiedete sich auf der Avenida da Liberdade – von mir mit der artigsten Wärme, in der gewiß seine Dankbarkeit für das Interesse zum Ausdruck kam, das ich für sein Museum an den Tag gelegt. Er sagte, ich sei ihm und den Seinen ein sehr angenehmer, sehr schätzenswerter Gast gewesen und werde es sein, jederzeit, solange ich eben in Lissabon verweilte. Wenn ich Lust hätte und Zeit fände, das Tennisspiel wieder aufzunehmen, werde seine Tochter sich ein Vergnügen daraus machen, mich in ihren Club einzuführen.
    Mit Begeisterung, sagte Zouzou, sei sie dazu bereit. Kopfschüttelnd und mit einem Lächeln, das Nachsicht übte und Nachsicht erbat, deutete er nach ihrer Seite, während er mir die Hand drückte.
    Von da, wo wir uns trennten, findet man wirklich mit Bequemlichkeit seinen Weg hinaus zu den sanften Höhen, auf denen, um Seen und Teiche herum, über Hügel hin, in Grotten und auf lichten Halden die berühmten Anlagen sich ausbreiten, die unser Ziel waren. Wir gingen in wechselnder Anordnung: Manchmal schritten Dom Miguel und ich zu Seiten Senhora Kuckucks, während Zouzou voranschlenderte. Manchmal fand ich mich auch allein an der Seite der stolzen Frau und sah Zouzou mit Hurtado vor uns wandern. Auch kam es vor, daß ich mit der Tochter ein Paar bildete, vor oder hinter der Senhora und dem Dermoplastiker, der sich aber öfter zu mir gesellte, um mir Erklärungen über die Landschaft, die Wunder der Pflanzenwelt zu geben, und so, gestehe ich, war mir’s am liebsten – nicht um des »Ausstopfers« und seiner Erläuterungen willen, sondern weil dann jenes verleugnete »zweitens« zu seinem Rechte kam und ich Mutter und Tochter in reizender Kombination vor mir sah.
       Es ist der Ort, einzuschalten, daß die Natur, und sei sie noch so erlesen, gebe sich noch so sehr als Sehenswürdigkeit, uns wenig Aufmerksamkeit abnötigt, wenn uns das Menschliche beschäftigt und unser Sinn von diesem eingenommen ist. Sie bringt es dann trotz aller Ansprüche nicht über die Rolle der Kulisse, des Hintergrunds unserer Empfindung, einer bloßen Dekoration hinaus. Aber freilich, als solche war sie hier aller Anerkennung wert. Koniferen riesenhaften Wuchses, schätzungsweise

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