Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
werde die Natur des Menschen sich ändern und Glück und Gleichheit herbeigezaubert werden … Aber es ist Zeit, daß ich Ew. Majestät bitte, mir den Herzenserguß zu Gnaden zu halten, den ich mir da gestattete.« Der König nickte dem Gesandten mit hochgezogenen Augenbrauen zu, worüber dieser sich sehr freute. »Lieber Marquis«, sagte dann Seine Majestät, »Sie legen Gesinnungen an den Tag, die nur zu loben sind, – Gesinnungen übrigens, wie sie nicht nur Ihrer Herkunft entsprechen, sondern auch Ihnen persönlich und individuell, lassen Sie mich das hinzufügen, durchaus zu Gesichte stehen. Doch, doch, ich sage es, wie ich’s meine. A propos, Sie erwähnten die zündelnde Rhetorik der Demagogen, ihre gefährliche Beschwatzungskunst. In der Tat und unglücklicherweise trifft man die Gewandtheit des Wortes ganz vorwiegend bei solchen Leuten, Advokaten, ehrgeizigen Politikern, Aposteln des Liberalismus und Feinden der bestehenden Ordnung an. Das Bestehende findet selten Befürworter von Geist. Es ist eine Ausnahme und sehr wohltuend, einmal zugunsten der guten Sache gut und gewinnend sprechen zu hören.«
»Ich kann nicht sagen«, versetzte ich, »wie sehr gerade dies Wort ›wohltuend‹ aus Ew. Majestät Munde mich ehrt und beglückt. Möge es lächerlich scheinen, wenn ein einfacher junger Edelmann sich vermißt, einem König wohltun zu können, – ich gestehe doch, daß eben dies mein Bestreben ist. Und was hält mich zu diesem Bestreben an? Mitgefühl, Majestät. Es ist das Mitgefühl, das teilhat an meiner Ehrfurcht, – wenn das eine Kühnheit ist, so möchte ich doch behaupten, daß es kaum eine seelenvollere Mischung der Empfindungen gibt, als eben die von Ehrfurcht und Mitgefühl. Was meine Jugend von Ew. Majestät Kümmernissen weiß, von den Anfeindungen, denen das Prinzip, das Sie vertreten, und selbst Ihre erlauchte Person ausgesetzt sind, geht mir nahe, und ich kann nicht umhin, Ihnen Ablenkung von diesen trüben Störungen, so viel heitere Zerstreuung wie nur möglich zu wünschen. Das ist es zweifellos, was Ew. Majestät in der schönen Kunst, in der Malerei suchen und finden. Dazu höre ich mit Freuden, daß Sie sich gern dem Jagdvergnügen widmen …«
»Sie haben recht«, sagte der König. »Ich gestehe, daß ich mich am wohlsten fern der Hauptstadt und den Ränken der Politik fühle, in freier Natur, in Feld und Gebirge, umgeben von einer kleinen Zahl Vertrauter und Zuverlässiger, bei Pirsch und Anstand. Sie sind Jäger, Marquis?«
»Ich kann es nicht sagen, Majestät. Zweifellos ist die Jagd die ritterlichste Unterhaltung, aber ich bin im ganzen kein Mann des Schießgewehrs und folge nur ganz gelegentlich einmal einer solchen Einladung. Was mir dabei am meisten Freude macht, sind die Hunde. So eine Koppel von Meute- und Vorstehhunden, in ihrer Leidenschaft kaum zu halten, die Nase am Boden, die Schwänze hin und her fahrend, alle Muskeln gespannt, – der stolze Paradetrab, in dem so einer, mit angezogenem Kopf, das Flugwild oder den Hasen im Maule heranbringt, – ich sehe das für mein Leben gern. Kurzum, ich bekenne mich als warmen Hundefreund und bin von klein auf mit diesem alten Genossen des Menschen umgegangen. Die Eindringlichkeit seines Blicks, sein Lachen mit aufgesperrtem Rachen, wenn man mit ihm scherzt – er ist ja das einzige Tier, das lachen kann –, seine täppische Zärtlichkeit, seine Eleganz im Spiel, die federnde Schönheit seines Ganges, falls er von Rasse ist, – das alles erwärmt mir das Herz. Seine Herkunft vom Wolf oder vom Schakal ist bei der großen Mehrzahl der Arten völlig verwischt. Allermeist sieht man sie ihm so wenig mehr an wie dem Pferd die seine vom Tapir oder Nashorn. Schon der Torfspitz der Pfahlbauzeit erinnerte nicht mehr an diese Abstammung, und wer ließe sich beim Spaniel, Dachshund, Pudel, beim schottischen Terrier, der auf dem Bauche zu gehen scheint, oder beim gütevollen Bernhardiner den Wolf einfallen? Welche Variabilität der Gattung! Es gibt sie in keiner anderen. Ein Schwein ist ein Schwein, ein Rind – ein Rind. Aber sollte man glauben, daß die dänische Dogge, groß wie ein Kalb, das gleiche Tier ist wie der Affenpinscher? Dabei«, plauderte ich fort und lockerte meine Haltung, indem ich mich nun doch im Stuhl zurücklehnte, was daraufhin auch der Gesandte tat, »dabei hat man den Eindruck, daß diese Geschöpfe sich ihres Formats, ob riesenhaft oder winzig, nicht bewußt sind und ihm im Verkehr miteinander keine Rechnung
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