Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
tragen. Die Liebe vollends – verzeihen Majestät die Berührung dieses Gebietes – macht da jeden Sinn für das Passende und Unpassende zunichte. Wir haben zu Hause auf dem Schloß einen russischen Windhund, Fripon mit Namen, einen großen Herrn, ablehnend von Wesen und von dünkelhaft schläfriger Physiognomie, die mit der Geringfügigkeit seines Gehirns zusammenhängt. Andererseits ist da Minime, das Malteser Schoßhündchen meiner Mama, ein Knäulchen weißer Seide, kaum größer als meine Faust. Man sollte denken, Fripon verschlösse sich nicht der Einsicht, daß dieses bebende Prinzeßchen in bestimmter Hinsicht keine schickliche Partnerin für ihn sein kann. Wird aber ihre Weiblichkeit aktuell, so klappert er, obgleich in weiter Entfernung von ihr gehalten, vor unrealisierbarer Verliebtheit derart mit den Zähnen, daß man es zimmerweit hören kann.«
Der König erheiterte sich über das Klappern.
»Ach«, beeilte ich mich fortzusetzen, »da muß ich Ew. Majestät doch gleich von besagter Minime erzählen, einem preziösen Geschöpfchen, dessen Konstitution in einem bänglichen Verhältnis zu seiner Rolle als Schoßhündchen steht.« Und so denn, liebe Mama, wiederholte ich weit besser und mit drolligerer Genauigkeit des Détails meine Produktion von neulich, die Schilderung der leider wiederkehrenden Tragödie in Deinem Schloß, der Schrekkensrufe, des Klingelalarms, – malte das Herbeiflattern Adelaidens aus, deren beispiellose Affektation durch die Notlage nur noch gesteigert wird und die den zappelnden Unglücksliebling davonträgt, die zittrigen Dienstleistungen Radicule’s, der Deiner Hilflosigkeit mit einer Handschaufel und einem Ascheneimer beizukommen sucht. Mein Erfolg war der erwünschteste. Der König hielt sich die Seiten vor Lachen, – und wirklich, es ist eine herzinnige Freude, einen gekrönten Mann der Sorgen, mit einer wühlerischen Partei im Lande, so selbstvergessener Belustigung hingegeben zu sehen. Ich weiß nicht, was irgendwelche Horcher im Vorzimmer sich von dieser Audienz gedacht haben mögen, aber gewiß ist, daß Seine Majestät die unschuldige Zerstreuung, die ich ihm bot, ganz außerordentlich genoß. Dieselben erinnerten sich zwar endlich, daß der Name des Gesandten, dem man Stolz und Glück darüber anmerkte, daß er sich durch meine Einführung um das Wohl des Herrschers so verdient gemacht, und mein eigener Name keineswegs die letzten waren auf der Liste des Flügeladjutanten, und gaben, indem sie sich die Augen trockneten, durch Erheben vom Sitze das Zeichen zur Beendigung des Empfanges. Aber während wir unsere tiefen Abschiedsverbeugungen darbrachten, hörte ich wohl, obgleich ich es scheinbar nicht hören sollte, das zwiefache »Charmant, charmant!«, mit dem der Monarch sich gegen Herrn von Hüon erkenntlich erwies, – und liebe Eltern, – dies wird Euch zweifellos nicht nur meine kleinen Verstöße gegen die Pietät, sondern auch die etwas eigenmächtige Verlängerung meines Aufenthaltes dahier in milderem Licht erscheinen lassen –: Zwei Tage später erhielt ich vom Königlichen Hofmarschallamt ein Päckchen, enthaltend die Insignien des portugiesischen Ordens vom Roten Löwen zweiter Klasse, den Seine Majestät geruht hatte mir zu verleihen, an karmoisinrotem Band um den Hals zu tragen, – so daß ich mich also hinfort bei formellen Gelegenheiten nicht länger, wie noch beim Gesandten, im kahlen Frackanzug darzustellen haben werde.
Ich weiß wohl, daß ein Mann seinen wahren Wert nicht in Emaille auf der Hemdbrust, sondern im tieferen Busen trägt. Aber die Menschen – Ihr kennt sie länger und besser als ich – wollen das Sichtbare, den Augenschein, das Sinnbild und tragbare Ehrenzeichen, und ich schelte sie nicht deswegen, ich bin voll milden Verständnisses für ihre Bedürftigkeit, und es ist reine Sympathie und Nächstenliebe, wenn ich mich freue, ihrer kindlichen Sinnlichkeit in Zukunft mit dem Roten Löwen zweiter Klasse aufwarten zu können.
Nur soviel für heute, teuerste Eltern. Ein Schelm gibt mehr, als er hat. Bald weiteres von meinen Erlebnissen und Welterfahrungen, die ich samt und sonders Eurer Großmut zu danken haben werde. Und wenn noch unter obiger Adresse ein Gegengruß von Euch mich erreichen und mich Eueres Wohlbefindens versichern würde, so wäre das der köstlichste Beitrag zum eigenen Wohlsein.
Eures in Zärtlichkeit treu gehorsamen Sohnes
Loulou.
Dieses in wohl studierter, leicht nach links geneigter
Weitere Kostenlose Bücher