Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
seine Qualis artifex-Ambitionen ein.«
»Bedauernswerte Menschen«, erwiderte ich, »die sich von solchem Vorurteil nicht frei zu machen vermögen! Sie sollten sich des Glücksfalles freuen, wenn sich das Höchste mit dem Höchsten, die Gunst erhabener Geburt mit derjenigen der Musen verbindet.«
Seine Majestät hörte das sichtlich gern. Dieselbe saß bequem zurückgelehnt, während der Gesandte und ich die Berührung mit den schrägen Rückenpolstern unserer Sessel gebührend vermieden. Der König äußerte: »Ich habe meine Freude, lieber Marquis, an Ihrer Empfänglichkeit, an der genießenden Unbefangenheit, mit der Sie die Dinge, Welt, Menschen und Werke betrachten, der schönen Unschuld, mit der Sie es tun und um die Sie zu beneiden sind. Sie ist vielleicht gerade nur auf der gesellschaftlichen Stufe möglich, die Sie einnehmen. Die Häßlichkeit und Bitternis des Lebens kennt man ganz nur in den Niederungen der Gesellschaft und an ihrer höchsten Spitze. Der gemeine Mann ist darin erfahren – und der die Miasmen der Politik atmende Staatenlenker.« »Euer Majestät Bemerkung«, erwiderte ich, »ist voller Geist. Nur bitte ich untertänigst, nicht zu glauben, daß meine Aufmerksamkeit in törichtem Genuß an der Oberfläche der Dinge haftet, ohne jeden Versuch, in ihre weniger erfreulichen Untergründe einzudringen. Ich habe Ew. Majestät meine Glückwünsche dargebracht zu dem wahrlich beneidenswerten Lose, der Herrscher über ein so glorreiches Land wie Portugal zu sein. Aber ich bin nicht blind für gewisse Schatten, die dieses Glück verdunkeln wollen, und weiß von den Tropfen Galle und Wermut, welche die Bosheit in den goldenen Trank Ihres Lebens träufelt. Es ist mir nicht unbekannt, daß es auch hier, selbst hier, muß ich sagen: gerade hier? nicht an Elementen fehlt, – Elementen, die sich die radikalen nennen, wohl weil sie wie Wühlmäuse an den Wurzeln der Gesellschaft nagen, – abscheulichen Elementen, wenn ich meinen Gefühlen gegen sie einen immerhin gemäßigten Ausdruck geben darf, denen jedes Embarrassement, jedes politische oder finanzielle ennui des Staates gerade recht ist, um für ihre Umtriebe Kapital daraus zu schlagen. Sie nennen sich die Männer des Volkes, obgleich ihre einzige Beziehung zum Volke darin besteht, daß sie dessen gesunde Instinkte zersetzen und es, zu seinem Unglück, seines natürlichen Glaubens an die Notwendigkeit einer wohlgestuften Gesellschaftsordnung berauben. Wodurch? Indem sie ihm die ganz und gar widernatürliche und darum auch volksfremde Idee der Gleichheit einimpfen und es durch ein plattes Rednertum zu dem Wahn verführen, es sei notwendig oder auch nur im geringsten wünschenswert – von der Möglichkeit ganz zu schweigen –, die Unterschiede der Geburt, des Geblütes, die Unterschiede von Reich und Arm, Vornehm und Gering einzuebnen, – Unterschiede, zu deren ewiger Erhaltung die Natur sich mit der Schönheit verbindet. Der in Lumpen gehüllte Bettler leistet durch sein Dasein denselben Beitrag zum farbigen Bilde der Welt wie der große Herr, der in die demütig ausgestreckte Hand, deren Berührung er allerdings tunlichst vermeidet, ein Almosen legt, – und, Ew. Majestät, der Bettler weiß es; er ist sich der sonderlichen Würde bewußt, welche die Weltordnung ihm zuerteilt, und will im tiefsten Herzen nichts anders, als es ist. Die Aufwiegelung durch Übelgesinnte ist nötig, ihn an seiner malerischen Rolle irrezumachen und ihm die empörerische Schrulle in den Kopf zu setzen, die Menschen müßten gleich sein. Sie sind es nicht, und sie sind geboren, das einzusehen. Der Mensch kommt mit aristokratischen Sinnen zur Welt. Das ist, so jung ich bin, meine Erfahrung. Wer er auch sei, ein Kleriker, ein Glied der kirchlichen Hierarchie oder jener anderen, der martialischen, ein treuherziger Unteroffizier in seiner Kaserne – er läßt Blick und Sinn, ein untrügliches Tastgefühl merken für gemeine oder erlesene Substanz, für das Holz, aus dem einer geschnitzt ist … Schöne Volksfreunde wahrhaftig, die dem Grob- und Niedriggeborenen die Freude nehmen an dem, was über ihm ist, an dem Reichtum, den edlen Sitten und Formen der oberen Gesellschaftsschicht, und diese Freude in Neid, Begehrlichkeit, Aufsässigkeit verwandeln! Die die Masse der Religion berauben, welche sie in frommen und glücklichen Schranken hält, und ihr dazu vorspiegeln, mit der Änderung der Staatsform sei es getan, die Monarchie müsse fallen und durch Errichtung der Republik
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