Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
habe (ich habe sie gemacht), so standen sie doch an bedeutender Eigenart weit zurück hinter denen jener Nacht, und auf die Gefahr, das Interesse des Lesers an meinen weiteren Bekenntnissen lahmzulegen, muß ich erklären, daß ich in der Folge, so hoch ich es in unserer Gesellschaft auch brachte, nie wieder erlebt habe, in sogenannten Alexandriner-Versen angesprochen zu werden.
Für das Liebes-Diebsgut, das dank dem barocken Einfall einer Dichterin in meinen Händen zurückgeblieben war, erhielt ich von Meister Pierre Jean-Pierre, der mir nicht genug auf die Schulter klopfen konnte, sechstausend Franken. Da aber Dianens Kommodenschublade dem stehlenden Gotte auch bares Geld, nämlich vier unter der Wäsche versorgte Tausendfranken-Scheine geboten hatte, so war ich nunmehr, mit dem, was ich zuvor besessen, ein Mann von zwölftausenddreihundertfünfzig Francs, – Herr eines Kapitals also, das ich natürlich nicht lange, so wenige Tage wie möglich auf mir herumtrug, sondern das ich bei erster Gelegenheit beim Crédit Lyonnais unter dem Namen Armand Kroull auf Scheck-Konto hinterlegte, abzüglich nur eines Taschengeldes von ein paar hundert Francs zur Bestreitung meiner Ausgaben an freien Nachmittagen.
Mit Beifall und dem Gefühl der Beruhigung wird der Leser von diesem Verhalten Kenntnis nehmen. Leicht wäre ein junger Fant vorzustellen, der, durch Fortunens versucherische Gunst zu solchen Mitteln gelangt, sofort seinen unbezahlten Arbeitsplatz verlassen, sich eine hübsche Junggesellenwohnung genommen und sich in dem alle Genüsse anbietenden Paris gute Tage gemacht hätte – bis zur freilich absehbaren Erschöpfung seines Schatzes. Ich dachte nicht daran; oder wenn ich daran dachte, so verwarf ich den Gedanken doch, so rasch wie er aufgetaucht war, mit sittlicher Entschiedenheit. Wozu sollte seine Verwirklichung führen? Wo würde ich stehen, wenn früher oder später, je nach der Munterkeit meines Lebenswandels, das Glücksgut aufgebraucht sein würde? Zu wohl bewahrte ich bei mir die Worte meines Paten Schimmelpreester (mit dem ich hie und da Ansichtskarten mit kurzem Text wechselte) – seine Worte über die Hotel-Lauf bahn und die schönen Ziele, zu denen sie sowohl in geradem Fortschreiten wie auf dem oder jenem abzweigenden Seitenpfade führen könne, als daß ich nicht rasch der Versuchung hätte Herr werden müssen, mich ihm undankbar zu erweisen und die Chance hinzuwerfen, die seine Weltverbindung mir geboten hatte. Zwar dachte ich, indem ich an meinem Ausgangsposten charaktervoll festhielt, wenig oder gar nicht an das »gerade Fortschreiten« von ihm und sah mich nicht als Oberkellner, Concierge oder auch Empfangsherr enden. Desto mehr lagen die glückhaften »Abzweigungen« mir dabei im Sinn, und ich hatte mich nur zu hüten, das erste beste Sackgäßlein, wie mir sich hier eines anbot, für einen vertrauenswürdigen Seitenpfad zum Glück zu halten.
Auch als Inhaber eines Scheckbuches also blieb ich Liftboy im Hotel Saint James and Albany, und es entbehrte nicht des Reizes, diese Figur auf einem geheimen pekuniären Hintergrunde abzugeben, durch den meine kleidsame Livree in der Tat zu einem Kostüm gestempelt wurde, wie einst mein Pate es mir probeweise hätte anlegen können. Mein heimlicher Reichtum – denn als solcher wollten meine im Traum erhaschten Rücklagen mir erscheinen – machte diese Tracht, nebst dem Dienst, den ich darin versah, zu einer Vorspiegelung, einer bloßen Bewährung meines »Kostümkopfes«; ja wenn ich mich später mit verblendendem Erfolge für mehr ausgab, als ich war, so gab ich mich vorläufig für weniger aus, und es ist noch die Frage, welchem Truge ich mehr innere Erheiterung, mehr Freude am Verzaubert-Märchenhaften abgewann.
Schlecht verköstigt und schlecht beherbergt war ich in diesem der Zahlkraft üppig sich anbietenden Hause, das ist wahr; aber in beiderlei Hinsicht war ich wenigstens kostenlos versorgt, und wenn ich auch noch keinen Lohn empfing, so konnte ich doch nicht nur meine Mittel schonen, sondern im kleinen flossen mir auch neue zu in Form von Pourboires oder – ich ziehe vor, zu sagen: Douceurs, mit denen das reisende Publikum mich laufend versah, – mich so gut wie meine Kollegen vom Fahrstuhlbetrieb, oder, um genau zu sein: etwas besser, etwas lieber als sie, mit einiger Bevorzugung, in der sich einfach der menschliche Sinn für den feineren Stoff bekundete und die mir denn auch einsichtigerweise von jenen gröberen Genossen nicht
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