Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
Kostüme – schwarzer Atlas etwa, mit silbernen Schmetterlingen bestickt, ein Kindertraum – sind sie, sage ich, Menschen, Männer, vorstellungsweise irgendwie im Bürgerlichen und Natürlichen unterzubringende Personen? Nach meinem Dafürhalten ist es bloße Sentimentalität, zu sagen, sie seien »auch Menschen«, mit den Herzlichkeiten von solchen, womöglich mit Weib und Kind. Ich erweise ihnen Ehre, ich verteidige sie gegen humane Abgeschmacktheit, indem ich sage: nein, sie sind es nicht, sie sind ausgefallene, das Zwerchfell zum Schüttern bringende Unholde der Lächerlichkeit, glitzernde, dem Leben nicht angehörige Mönche der Ungereimtheit, kobolzende Zwitter aus Mensch und närrischer Kunst.
Alles muß ›menschlich‹ sein für die Gewöhnlichkeit, und man glaubt noch wunder wie warmherzig wissend hinter den Schein zu blicken, wenn man das Menschli che dort aufzufinden und nachzuweisen behauptet. War Andromache etwa menschlich, ›La fille de l’air‹, wie sie auf dem langen Programmzettel hieß? Noch heute träume ich von ihr, und obgleich ihre Person und Sphäre dem Närrischen so fern waren wie möglich, war sie es eigentlich, die ich im Sinne hatte, als ich mich ausließ über die Clowns. Sie war der Stern des Cirkus, die große Nummer, und tat eine Hochtrapez-Arbeit ganz ohnegleichen. Sie tat sie – und das war eine sensationelle Neuerung, etwas Erstmaliges in der Cirkusgeschichte – ohne ein unten ausgespanntes Sicherheits- und Fangnetz, zusammen mit einem Partner von respektablem, aber mit dem ihren nicht zu vergleichenden Können, der ihr, bei persönlicher Zurückhaltung, in der Tat nur die Hand bot bei ihren überkühnen, in wunderbarer Vollendung ausgeführten Evolutionen im Luftraum zwischen den beiden stark schwingenden Trapezen, ihr ihre Taten gewissermaßen nur einrichtete. War sie zwanzig Jahre alt, oder weniger, oder mehr? Wer will es sagen. Ihre Gesichtszüge waren streng und edel und wurden merkwürdigerweise nicht verunschönt, nein, nur noch klarer und anziehender durch die elastische Kappe, die sie zur Arbeit über ihr voll aufgeknotetes braunes Haar zog, da dieses sich ohne solche Befestigung beim Kopf-über, Kopf-unter ihrer Taten notwendig hätte auflösen müssen. Sie war von etwas mehr als mittlerer Weibesgröße und trug einen knappen und schmiegsamen, mit Schwan besetzten Silberpanzer, dem an den Schultern, zur Bestätigung ihres Titels als ›Tochter der Lüfte‹ ein paar kleine Flügel aus weißem Gefieder angesetzt waren. Als ob die ihr beim Fliegen hätten helfen können! Ihre Brust war geringfügig, ihr Becken schmal, die Muskulatur ihrer Arme, wie sich versteht, stärker ausgebildet als sonst bei Frauen, und ihre greifenden Hände zwar nicht von männlicher Größe, aber doch auch nicht klein genug, um die Frage ganz auszuschalten, ob sie, in Gottes Namen, denn vielleicht heimlich ein Jüngling sei. Nein, die weibliche Artung ihrer Brust war immerhin unzweideutig, und so doch auch, bei aller Schlankheit, die Form ihrer Schenkel. Sie lächelte kaum. Ihre schönen Lippen, fern von Verpreßtheit, standen meist leicht geöffnet, aber das taten freilich auch, gespannt, die Flügel ihrer griechisch gestalteten, ein wenig niedergehenden Nase. Sie verschmähte jedes Liebäugeln mit dem Publikum. Kaum daß sie, nach einem Tour de force auf der hölzernen Querstange eines der Geräte ausruhend, eine Hand am Seil, den anderen Arm ein wenig zum Gruße ausstreckte. Aber ihre ernsten Augen, geradeaus blickend unter den ebenmäßigen, nicht gerunzelten, aber unbeweglichen Brauen, grüßten nicht mit. Ich betete sie an. Sie stand auf, setzte das Trapez in stärkstes Schwingen, schnellte sich ab und flog an ihrem Mitspieler vorbei, der vom anderen kam, zu diesem ihr entgegenpendelnden hinüber, packte mit ihren weder männlichen noch weiblichen Händen die runde Stange, vollführte um sie herum, bei völlig ausgestrecktem Körper, den Total- oder sogenannten Riesenschwung, dessen die wenigsten Turner mächtig sind, und benutzte den dadurch empfangenen furchtbaren Antrieb zum Rückfluge, wieder an dem Gefährten vorbei, gegen das ihr zuschwingende Trapez, von dem sie gekommen, wobei sie halbwegs in der Luft noch einen Salto mortale schlug, um dann die fliegende Stange zu fangen, sich mit einem leichten Anschwellen ihrer Armmuskeln daran hochzuziehen und, blicklos die Hand hebend, darauf niederzusitzen.
Es war nicht glaubwürdig, untunlich und dennoch getan. Ein Schauer der
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