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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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leidender Zustand, in welchem niemand sich genügt, der sich zum Tätigen, zum Selber-Ausüben geboren fühlt.
    Von solchem Verhalten war meinem Nachbarn, dem
    braven Stanko, rein gar nichts gegeben, und so waren wir ungleiche Gesellen, mit deren Genossenschaft es nicht eben weit reichte. Beim Flanieren hatte ich größere Augen als er für die weiträumige Herrlichkeit des Pariser Stadtbildes, gewisser glorreicher Perspektiven von unglaublicher Vornehmheit und Pracht, die es bietet, und mußte immer an meinen armen Vater und das bis zur Schwäche hingenommene »Magnifique! Magnifique!« denken, mit dem er sich stets daran erinnert hatte. Da ich jedoch von meiner Bewunderung weiter kein Wesens machte, bemerkte jener kaum den Unterschied in der Empfänglichkeit unserer Seelen. Was er dagegen allmählich bemerken mußte, war, daß es auf eine ihm rätselhafte Weise mit unserer Freundschaft nicht recht vorwärtsgehen, zu rechter Vertraulichkeit zwischen uns nicht kommen wollte, – was sich doch einfach aus meiner natürlichen Neigung zur Eingezogenheit und Verschlossenheit, diesem inneren Beharren auf Einsamkeit, Abstand, Reserve erklärte, dessen ich schon weiter oben gedachte und an dem ich, als einer Grundbedingung meines Lebens, auch wenn ich gewollt hätte, nichts hätte ändern können.
       Es ist nicht anders: das scheue und nicht sowohl stolze als in sein Schicksal willigende Gefühl eines Menschen, daß es etwas Besonderes mit ihm ist, schafft um ihn herum eine Luftschicht und Ausstrahlung von Kühle, in welcher, beinahe zu seinem eigenen Bedauern, treuherzige Anträge der Freundschaft und Camaraderie, sie wissen nicht wie, sich verfangen und steckenbleiben. So ging es Stanko’n mit mir. Er ließ es an Zutraulichkeit nicht fehlen und sah doch, daß ich ihr mehr duldend begegnete als sie erwiderte. So erzählte er mir eines Nachmittags, als wir in einem Bistro beim Weine saßen, daß er, bevor er nach Paris gekommen, in seiner Heimat eine einjährige Gefängnisstrafe abzusitzen gehabt habe, irgendeiner Einsteigerei wegen, bei der er, nicht durch eigene Ungeschicklichkeit, sondern durch die Dummheit seines Mitgesellen, hereingefallen war. Ich nahm das sehr heiter und teilnehmend auf, und es fehlte viel, daß durch diese mich keineswegs überraschende Eröffnung unser Umgang Schaden gelitten hätte. Ein nächstes Mal aber ging er weiter und ließ mich merken, daß seine Zutunlichkeit einen Hintergrund von Berechnung hatte, der mir mißfiel. Er sah einen Glückspilz von kindlicher Geriebenheit und begünstigter Hand in mir, mit dem zusammen gut arbeiten sein würde, und aus unzarter Verkennung der Tatsache, daß ich nicht zum Bruder Spießgesellen geboren war, machte er mir Vorschläge, eine gewisse Villa in Neuilly betreffend, die er ausbaldowert hatte und wo sich mit Leichtigkeit, fast ohne Risiko, mitsammen ein einträglich Ding würde drehen lassen. Daß er bei mir auf gleichgültige Ablehnung stieß, verdroß ihn sehr, und ärgerlich fragte er mich, was das denn für eine Zimperlichkeit von mir sei und für was alles ich mich eigentlich zu gut dünkte, wo er doch ganz wohl über mich Bescheid wisse. Da ich immer Leute verachtet habe, die da glaubten, Bescheid über mich zu wissen, so zuckte ich nur die Achseln und sagte, das möchte schon sein, ich hätte aber doch keine Lust. Worauf er mit einem »Trottel!« oder »Imbécile!« abschloß.

    Auch daß ich ihm diese Enttäuschung bereitete, führte unmittelbar noch keinen Bruch unserer Beziehungen herbei; aber es kühlte sie ab, lockerte sie und löste sie schließlich auf, so daß wir, ohne gerade verfeindet zu sein, doch nicht mehr miteinander ausgingen.

    Zweites Kapitel

    D en Liftdienst versah ich den ganzen Winter hindurch, und trotz der Beliebtheit, deren ich mich bei meinem wechselnden Publikum erfreute, begann er mich bald schon zu langweilen. Ich hatte Grund zu fürchten, daß es damit immer so weitergehen, daß man mich sozusagen darin vergessen, mich alt und grau dabei werden lassen möchte. Was ich von Stanko gehört, bestärkte mich in dieser Besorgnis. Seinerseits trachtete er danach, in die Hauptküche mit den beiden großem Kochherden, den vier Bratöfen, dem Grillapparat und dem Flambeau versetzt zu werden und es dort mit der Zeit – wenn nicht gerade zum Küchenchef, so etwa doch zum Vice-Küchenleiter zu bringen, der die Ordres aus dem Speisesaal von den Kellnern entgegennimmt und sie an die Schar der Köche weitergibt. Aber es sei

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