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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Ein paar von ihnen erschütterten die Luft mit dem Donnergebrüll, vor dem die zartere Tierwelt des Urwaldes erbebt und flieht. Der Bändiger beantwortete es mit einem Revolverschuß in die Luft, vor dem sie sich fauchend duckten, da sie einsahen, daß ihr Naturgedröhn durch den schmetternden Knall übertrumpft war. Mustafa zündete sich danach renommistischerweise eine Zigarette an, was sie ebenfalls mit tiefem Ärger ansahen, und sprach dann einen Namen, Achille oder Néron, forderte leise, aber äußerst bestimmt den ersten zur Leistung auf. Eine nach der anderen hatten die Königskatzen sich widerwillig von ihren Taburetts hinabzubequemen und den Sprung, hin und zurück, zu tun durch den hochgehaltenen Reifen, der schließlich, wie ich sagte, ein in Brand gesetzter Pechring war. Wohl oder übel sprangen sie durch die Flammen, und schwer war das nicht für sie, aber beleidigend. Sie kehrten grollend auf ihre Hocker zurück, die schon an und für sich kränkende Sitze waren, und blickten gebannt auf den rotbehosten Mann, der immerfort leicht den Kopf von der Stelle rückte, um abwechselnd mit seinen dunklen Augen den grünen, von Furcht und einem gewissen anhänglichen Haß verkniffenen Blick der Bestien zu fassen. Kurz wandte er sich um, wenn er im Rücken eine Unruhe erlauschte, und stillte sie durch ein gleichsam erstauntes Hinsehen, durch die leise und feste Nennung eines Namens.
       Jeder fühlte, in welcher nicht im mindesten geheueren, ganz und gar nicht berechenbaren Gesellschaft er sich dort drinnen befand, und das war der Kitzel, für den der in Sicherheit sitzende Schaupöbel bezahlt hatte. Jedem war bewußt, daß sein Revolver ihm wenig helfen würde, wenn die fünf Gewaltigen aus ihrem Wahn, hilflos vor ihm zu sein, erwachten und ihn in Stücke rissen. Mein Eindruck war, daß, wenn er sich nur irgendwie verletzte und sie sein Blut sähen, es um ihn geschehen wäre. Ich begriff auch, daß, wenn er halbnackt zu ihnen hineinging, es dem Pöbel zuliebe geschah: nämlich, damit dessen feige Lust verschärft werde durch den Anblick des Fleisches, in das sie – wer weiß, hoffentlich geschah es – ihre entsetzlichen Tatzen schlagen würden. Da ich aber immerfort Andromache’s gedachte, fühlte ich mich versucht und fand es allenfalls richtig, sie mir als Mustafa’s Geliebte vorzustellen. Eifersucht ging mir wie ein Messerstich in das Herz bei dem bloßen Gedanken, sie verschlug mir tatsächlich den Atem, und ich erstickte hastig die Einbildung. Kameraden der Todesnähe, das mochten sie sein, aber kein Liebespaar, nein, nein, es wäre ihnen auch beiden schlecht bekommen! Die Löwen hätten es gemerkt, wenn er gebuhlt hätte, und ihm den Gehorsam gekündigt. Und sie, sie hätte fehlgegriffen, ich war dessen sicher, wenn sich der Kühnheitsengel zum Weibe erniedrigt hätte, und wäre schmählich zur Erde gestürzt … Was gab es noch, nachher und vorher, im Cirkus Stoudebecker? Sehr Mannigfaltiges, einen Überfluß gelenkiger Wunder. Wenig frommte es, sie alle heraufzurufen. Das weiß ich, daß ich von Zeit zu Zeit meinen Gesellen, den Stanko, von der Seite betrachtete, der sich, wie alles Volk ringsumher, in schlaffem, blödem Genießen diesem nicht endenden Andrang blendender Kunstfertigkeit, dieser farbigen Kaskade betörender, berauschender Leistungen und Gesichte überließ. Nicht dies war meine Sache, nicht dies meine Art, den Erscheinungen zu begegnen. Wohl entging mir nichts, wohl nahm ich inständig prüfend jede Einzelheit in mich. Es war Hingebung, aber sie hatte – wie soll ich es sagen – etwas Aufsässiges, ich steifte den Rücken dabei, meine Seele – wie soll ich es nur sagen! – übte einen Gegendruck aus gegen die sie bestürmenden Eindrücke, es war – ich sage es nicht richtig, aber ungefähr richtig – bei aller Bewunderung etwas von Bosheit in ihrem eindringlichen Betrachten der Tricks, Künste, Wirkungen. Die Menge rings um mich her gor in Lust und Belustigung, – ich aber, gewissermaßen, schloß mich aus von ihrem Gären und Gieren, kühl wie einer, der sich vom ›Bau‹, vom Fach fühlt. Nicht vom circensischen Fach, vom Salto mortale-Fach, natürlich, konnte ich mich fühlen, aber vom Fache im allgemeineren, vom Fach der Wirkung, der Menschenbeglückung und -bezauberung. Darum rückte ich innerlich ab von den vielen, die nur das selbstvergessen genießende Opfer des Reizes waren, fern von dem Gedanken, sich mit ihm zu messen. Sie genossen nur, und Genuß ist ein

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