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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Tätigkeit ein Monats-Salaire von vierzig Franken beziehen, – eine fast übertrieben hohe Bezahlung, wie Ihre Miene mir zu bezeugen scheint. Es ist übrigens nicht üblich, im Gespräch mit mir zu lächeln, bevor ich selber lächle. Ich bin es, der das Zeichen zum Lächeln zu geben hat. Bon. Die weiße Jacke für Ihre Arbeit als Abkratzer wird Ihnen geliefert. Sind Sie in der Lage, sich unseren Kellnerfrack anzuschaffen, wenn man Sie eines Tages zum Abservieren im Saale heranzieht? Sie wissen wohl, diese Anschaffung hat auf eigene Kosten zu geschehen. Durchaus sind Sie in der Lage dazu? Ausgezeichnet. Ich sehe, bei Ihnen stößt man auf keine Schwierigkeiten. Auch mit der notwendigen Wäsche, anständigen Frackhemden, sind Sie versehen? Sagen Sie mir doch: Sind Sie vermögend von Hause aus? Ein wenig? A la bonne heure. Ich denke, Kroull, wir werden Ihr Gehalt in absehbarer Zeit auf fünfzig bis sechzig Francs erhöhen können. Die Adresse des Schneiders, der unsere Fräcke anfertigt, erfahren Sie vorn im Bureau. Sie können, wann Sie wollen, zu uns herüberkommen. Uns fehlt eine Hilfe, und für die Liftvakanz sind hundert Anwärter da. A bientôt, mon garçon. Wir nähern uns der Mitte des Monats, Sie werden also für diesmal fünfundzwanzig Franken erheben können, denn ich schlage vor, wir beginnen mit sechshundert pro Jahr. Diesmal ist Ihr Lächeln zulässig, denn ich bin Ihnen darin vorangegangen. Das war alles. Sie können gehen.«
       So Machatschek im Austausch mit mir. Das folgenschwere Gespräch führte zunächst zu einem Abstieg in meiner Lebenshaltung und dem, was ich vorstellte, das ist nicht zu leugnen. Ich hatte meine Liftboy-Livree im Magazin wieder einzuliefern und erhielt dafür nur eine weiße Jacke, zu der ich mir schleunig eine brauchige Hose besorgen mußte, da ich unmöglich die zu meinem Ausgeh-Anzug gehörige bei der Arbeit abnützen durfte. Diese Arbeit, die Vor-Reinigung abgespeisten Geschirrs, das Einstreifen des Liegengelassenen in Abfallzuber war ein wenig erniedrigend im Vergleich mit meiner bisherigen, immerhin edleren Beschäftigung, und anfangs auch ekelerregend. Übrigens reichten meine Aufgaben bis in die Spülküche hinein, wo das Service, von Hand zu Hand gehend, eine Folge von Waschungen durchlief, um bei den Abtrocknern zu landen, zu denen ich mich zeitweise, angetan mit einer weißen Schürze, gesellt fand. So stand ich gleichsam am Anfang und am Ende der Wiederherstellungsprozedur.
       Gute Miene zu machen zum Unangemessenen und sich mit den Genossen, denen es angemessen ist, auf einen kordialen Fuß zu stellen ist nicht schwer, wenn man das Wort »vorläufig« dabei im Herzen trägt. So gewiß war ich des den Menschen bei allem Bestehen auf Gleichheit tief eingeborenen Sinnes fürs Ungleiche und NatürlichBevorzugte, so gewiß ihres Triebes, diesem Sinn Genüge zu tun, so überzeugt also, daß man mich nicht lange auf dieser Stufe festhalten werde, ja sie mich eigentlich nur der Form wegen hatte einnehmen lassen, daß ich gleich anfangs schon, gleich nach meinem Gespräch mit Monsieur Machatschek, sobald ich nur frei dafür war, die Bestellung eines Kellner-Frack-Anzuges à la Saint James and Albany bei dem Uniform- und Livreeschneider getätigt hatte, dessen Atelier sich gar nicht weit vom Hotel, in der Rue des Innocents, befand. Es war eine Investierung von fünfundsiebzig Franken, einem zwischen der Firma und dem Hotel vereinbarten Spezialpreis, den Unbemittelte nach und nach von ihrem Lohn zu bestreiten hatten, den aber ich, versteht sich, bar erlegte. Das Habit war außerordentlich hübsch, wenn man es zu tragen wußte: zu schwarzen Hosen ein dunkelblauer Frack mit einigem Samtbesatz am Kragen und goldenen Knöpfen, die in verkleinerter Gestalt an der ausgeschnittenen Weste wiederkehrten. Ich hatte herzliche Freude an dem Erwerb, hängte ihn im Schranke draußen vorm Schlafraum neben meinem Zivilanzug auf und hatte auch für die zugehörige weiße Schleife sowie für Emailleknöpfe zum Hemdverschluß Sorge getragen. So aber kam es, daß, als nach fünf Wochen Geschirrdienst einer der beiden unteren Oberkellner, welche Herrn Machatschek in schwarzen Fräcken mit schwarzen Schleifen zur Seite standen, mir eröffnete, man brauche mich im Saal, und mir auftrug, mich schleunig für diesen zu adjustieren, ich ihm erwidern konnte, ich sei in völliger Bereitschaft, dort zu erscheinen, und stände in jedem beliebigen Augenblick zur Verfügung.
       Der nächste Tag

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