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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Angehörigen des schottischen Hochadels, anführen will, – aus dem Grunde, weil beide gleichzeitig spielende Fälle auf unterschiedliche Art Versuchungen darstellten zum vorzeitigen Ausbrechen aus der gewählten Laufbahn, Lockungen, mich in einen der Seitenpfade zu werfen, von denen mein Pate mir gesprochen, die man aber nicht genug auf ihr Wohin und Wieweit prüfen konnte.
    Twentymans, Vater, Mutter und Tochter nebst einer Zofe, bewohnten mehrere Wochen lang eine Suite im Saint James and Albany, was allein auf eine erfreuliche Vermögenslage schließen ließ. Sie wurde bestätigt und unterstrichen durch prachtvolle Juwelen, die Mrs. Twentyman beim Diner zur Schau trug, und um die es, so muß man sagen, schade war. Denn Mrs. Twentyman war eine freudlose Frau – freudlos für den Anschauenden und wahrscheinlich auch nach ihrem eigenen Befinden –, welche offenbar durch den erfolggekrönten Birmingham’schen Gewerbefleiß ihres Gatten aus kleinbürgerlicher Sphäre in Verhältnisse aufgestiegen war, die sie steif und starr machten. Mehr Gutmütigkeit ging aus von Mr. Twenty man mit seinem roten Portweingesicht; doch versiegte seine Jovialität zum besten Teil in der ihn umhüllenden Schwerhörigkeit, von welcher der leer-horchende Ausdruck seiner wasserblauen Augen zeugte. Er bediente sich eines schwarzen Hörrohrs, in das seine Gattin sprechen mußte, wenn sie, was selten vorkam, ihm etwas zu sagen hatte, und das er auch mir hinhielt, wenn ich ihn bei seiner Bestellung beriet. Sein Töchterchen, die siebzehn- oder achtzehnjährige Eleanor, die ihm an meinem Tisch Nummer 8 gegenübersaß, pflegte zuweilen, auch wohl durch sein Winken dazu berufen, aufzustehen und sich zu einer kurzen, durchs Rohr gepflogenen Konversation zu ihm hinüberzuverfügen.
       Seine Zärtlichkeit für das Kind war offensichtlich und gewinnend. Was Mrs. Twentyman betrifft, so will ich ihr mütterliche Gefühle gar nicht abstreiten, aber eher als in lieben Blicken und Worten äußerten sie sich in kritischer Überwachung von Eleanors Tun und Lassen, zu der Mrs. Twentyman öfters die Schildpattlorgnette an die Augen führte, nie ohne etwas an der Frisur der Tochter, an ihrer Haltung zu beanstanden, ihr das Kneten von Brotkügelchen, das Abnagen eines Hühnerbeines aus der Hand, das neugierige Umherblicken im Saal zu verweisen – und so fort. Aus all dieser Kontrolle sprach eine erzieherische Unruhe und Besorgnis, die Miss Twentyman beschwerlich genug sein mochte, die aber meine ebenfalls beschwerlichen Erfahrungen mit ihr mich zwingen als ziemlich berechtigt anzuerkennen.
       Sie war ein blondes Ding, hübsch nach Art eines Zickleins, mit den rührendsten Schlüsselbeinen von der Welt, wenn abends ihr seidenes Kleidchen ein wenig ausgeschnitten war. Da ich von je eine Schwäche für den angelsächsischen Typ gehegt habe und sie diesen sehr ausgeprägt darstellte, so sah ich sie gern – sah sie übrigens immerfort, bei den Mahlzeiten, nach den Mahlzeiten und bei der Tee-Musik, zu der die Twentymans, wenigstens anfangs, ebenfalls Platz zu nehmen pflegten, wo ich bediente. Ich war gut zu meinem Zicklein, umgab sie mit der Aufmerksamkeit eines ergebenen Bruders, legte ihr das Fleisch vor, brachte ihr das Dessert zum zweitenmal, versah sie mit Grenadine, die sie sehr gern trank, hüllte zärtlich ihre dünnen schneeweißen Schülterchen in den gestickten Umhang, wenn sie sich vom Diner erhob – und tat mit alldem entschieden zuviel, versündigte mich unbedacht an diesem nur zu empfänglichen Seelchen, indem ich zuwenig dem besonderen Magnetismus Rechnung trug, der, ob ich wollte oder nicht, ausging von meinem Sein auf jedes nicht völlig stumpfe Mitwesen, – ausgegangen wäre, so wage ich zu behaupten, auf jedes auch dann, wenn meine ›sterbliche Hülle‹, wie man’s am Ende nennt, mein Lärvchen also, weniger für sich gesprochen hätte; denn dieses war nur die Erscheinung, das Gebilde tieferer Kräfte, der Sympathie.
       Kurzum, gar bald mußte ich gewahr werden, daß die Kleine sich über und über in mich verliebt hatte, und das war natürlich nicht meine Wahrnehmung allein, sondern die scharf besorgte Schildpattlorgnette Mrs. Twentymans erspähte es auch, wie mir ein zischendes Flüstern bestätigte, das sich einmal beim Lunch hinter meinem Rücken vernehmen ließ:
    »Eleanor! If you don’t stop staring at that boy, I’ll send you up to your room and you’ll have to eat alone till we leave!«
    Ja, leider, das

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