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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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tun« – da antwortete ich, ebenfalls mit halber Stimme:
       »Tausend Dank, Maître, aber ich kann es schon, und besser als er. Ich kann es nämlich, verzeihen Sie, von Natur. Ich dränge Sie nicht, mich auf die Probe zu stellen. Sobald Sie sich aber dazu entschließen, werden Sie meine Worte bestätigt finden.«
       »Blagueur!« sagte er und ruckte nicht nur kurz auflachend den Bauch, sondern sah auch dabei zu einer Dame in Grün und mit hoher kunstblonder Frisur hinüber, die diesen kleinen Wortwechsel beobachtet hatte, zwinkerte ihr mit einem Auge zu und deutete dabei seitlich mit dem Kopfe auf mich, bevor er mit seinen kurzen, betont elastischen Schritten weiterging. Auch dabei ließ er noch einmal belustigt den Bauch rucken.
       Der Kaffee-Dienst führte mich bald auch in die Halle hinaus, wo ich ihn zweimal des Tages zusammen mit einigen Kollegen zu versehen hatte. Er erweiterte sich bin nen kurzem zur Tee-Bedienung daselbst am Nachmittag; und da unterdessen Hector zu einer anderen Tischgruppe im Saal versetzt worden und es mir zugefallen war, an derjenigen zu servieren, bei der ich den Aide gespielt, so hatte ich fast übermäßig viel zu tun und war abends, gegen Ende des vielfältigen Tagewerks, das man mir auferlegte, also beim Reichen von Kaffee und Likören, Whisky-Soda und Infusion de tilleul nach dem Diner in der Halle, meistens so müde, daß der Sympathie-Austausch zwischen mir und der Welt an Seele verlor, die Gefälligkeitsspannkraft meiner Bewegungen zu ermatten drohte und mein Lächeln zu einer leicht schmerzhaften Maskenhaftigkeit erstarrte.
       Am Morgen jedoch erstand meine elastische Natur aus solcher Ermattung zu froher Frische, und schon sah man mich wieder zwischen Frühstückszimmer, Getränkeküche und Hauptküche hin- und hereilen, um jenen Gästen, die nicht den Zimmerdienst in Anspruch nahmen und nicht im Bette frühstückten, den Tee, das Oatmeal, den Toast, das Eingemachte, den gebackenen Fisch, die Pfannkuchen in Sirup zu servieren; sah mich sodann im Saal, mit Hilfe eines Tölpels von Zweitem, meine sechs Tische zum Luncheon instandsetzen, den Damast über die weiche Fries-Unterlage spreiten, die Couverts auflegen, und von zwölf Uhr an, den Schreibblock in der Hand, bei denen, die sich zum Speisen eingefunden, Bestellungen entgegennehmen. Wie wohl verstand ich es doch, Schwankende dabei mit der weichen, diskret zurückhaltenden Stimme, die dem Kellner ansteht, zu beraten, wie wohl, allen Darreichungen und Versehungen den lieblosen Charakter des Vorwerfens fernzuhalten, alle vielmehr auf eine Art zu tätigen, als handle es sich um einen persönlichen Liebesdienst. Gebeugt, eine Hand nach guter Servierschule auf dem Rücken, bot ich meine Schüsseln an, übte zwischenein aber auch die feine Kunst, Gabel und Löffel in geschickter Kombination nur mit der Rechten handhabend, denen, die es liebten, selbst vorzulegen, wobei der Betreute, er oder sie, besonders sie, mit angenehmem Befremden meine tätige Hand beobachten mochte, die nicht die eines gemeinen Mannes war. Kein Wunder denn, alles in allem, daß man, wie Hector gesagt hatte, mich »vorschob«, das Wohlgefallen ausnutzte, das mir aus der überfütterten Luxusgesellschaft des Hauses entgegenschlug. Man gab mich ihm preis, diesem mich umbrodelnden Wohlgefallen, und ließ es mein Kunststück sein, es sowohl durch schmelzendes Entgegenkommen anzuspornen, als es auch wieder durch sittige Reserve einzudämmen.
    Um das Bild rein zu halten, das diese Erinnerungen dem Leser von meinem Charakter vermitteln, sei folgendes hier zu meinen Ehren angemerkt. Niemals habe ich eitles und grausames Gefallen gefunden an den Schmerzen von Mitmenschen, denen meine Person Wünsche erregte, welche zu erfüllen die Lebensweisheit mir verwehrte. Leidenschaften, deren Gegenstand man ist, ohne selbst von ihnen berührt zu sein, mögen Naturen, ungleich der meinen, einen Überlegenheitsdünkel von unschöner Kälte oder auch jenen verachtenden Widerwillen einflößen, der dazu verleitet, die Gefühle des anderen ohne Erbarmen mit Füßen zu treten. Wie sehr verschieden bei mir! Ich habe solche Gefühle stets geachtet, sie aus einer Art von Schuldbewußtsein aufs beste geschont und durch ein begütigendes Verhalten die Befallenen zu verständiger Entsagung anzuhalten gesucht, – wofür ich aus der hier abzuhandelnden Periode meines Lebens das zwiefache Beispiel der kleinen Eleanor Twentyman aus Birmingham und des Lord Kilmarnock, eines

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