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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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also schon sah mich in voller Parure bei der Mittagsmahlzeit im Saale debütieren, diesem herrlichen, kirchenweiten Raum mit seinen kannelierten Säulen, auf deren vergoldeten Kronen in weißem Stuck die Deckenflächen ruhten, mit seinen rot beschirmten Wandleuchtern, rot wallenden Fenster-Drapieren und der Unzahl von weißdamastenen, mit Orchideen geschmückten Rundtischen und Tischchen, um welche Sessel aus weißem Schleiflack-Holz mit roten Polstern standen und auf denen die zu Fächern und Pyramiden gefalteten Servietten, die glänzenden Bestecke und zarten Gläser, die in blitzenden Kühlkübeln oder leichten Körben lehnenden Weinflaschen paradierten, die herbeizubringen das Sonderamt des mit Kette und Küferschürzchen ausgezeichneten Kellner-Kellermeisters war. Lange bevor die ersten Gäste zum Luncheon sich einfanden, war ich zur Hand gewesen, hatte geholfen, auf einer bestimmten Gruppe von Tischen, denen ich als zweiter, als Hilfs-Aufwärter zugeteilt war, die Couverts zu legen, die Menukarten zu verteilen, und ließ es mir dann nicht nehmen, das Speisepublikum dieser Tische, dort wenigstens, wo der mir übergeordnete Haupt- und Servierkellner eben nicht sein konnte, mit markierter Herzensfreude zu begrüßen, den Damen die Stühle unterzuschieben, ihnen die Karten zu reichen, Wasser einzuschenken, kurz, diesen Pfleglingen, ohne Ansehen ihrer ungleichen Reize, meine Gegenwart artig einprägsam zu machen.
       Recht und Möglichkeit dazu reichten fürs erste nicht weit. Ich hatte nicht die Bestellungen entgegenzunehmen, nicht die Schüsseln anzubieten; meines Amtes war nur, nach jedem Gange abzuräumen, die benutzten Teller und Bestecke hinauszutragen und nach dem Entremets, bevor das Dessert gereicht wurde, die Tischtücher mit Bürste und flacher Schaufel von Brosamen zu reinigen. Jene höheren Pflichten standen Hector, meinem Supérieur, einem schon etwas angejahrten Manne mit schläfriger Miene, zu, in dem ich sogleich jenen Commis de salle wiedererkannt hatte, mit dem ich an meinem ersten Morgen in der Kantine droben am Tische gesessen und der mir seine Zigaretten geschenkt hatte. Auch er erinnerte sich meiner mit einem »Mais oui, c’est toi«, begleitet von einer müde abwinkenden Handbewegung, die für sein Verhalten zu mir bezeichnend blieb. Es war von allem Anbeginn ein eher verzichtendes, als kommandierendes und zurechtweisendes Verhalten. Er sah wohl, daß die Clientèle, daß besonders die Damen, alte und junge, sich an mich hielten, mich heranwinkten und nicht ihn, wenn es sie nach irgendeiner Sonderzutat, englischem Senf, der Worcester-Sauce, Tomato Catchup, verlangte, – Wünsche, die in so manchem mir ganz gut erkennbaren Fall der reine Vorwand waren, um mich an den Tisch zu ziehen, sich an meinem »Parfaitement, madame«, »Tout de suite, madame« zu erfreuen und, wenn ich das Geforderte überbrachte, das »Merci, Armand« mit einem schräg aufwärts strahlenden Blick zu begleiten, der sachlich kaum gerechtfertigt war. Nach einigen Tagen sagte Hector zu mir, während ich ihm am Anrichtetischchen beim Ablösen von SeezungenFilets von der Gräte behilflich war:
       »Die würden es viel lieber sehen, wenn du ihnen das Zeug serviertest, au lieu de moi – sind ja alle einträchtig vergafft in dich, toute la canaille friande! Du wirst mich bald an die Wand gedrückt haben und die Tische bekommen. Bist eine Attraktion – et tu n’as pas l’air de l’ignorer. Die Bonzen wissen es auch und schieben dich vor. Hast du gehört – natürlich hast du’s gehört –, wie Monsieur Cordonnier« (das war der Unter-Oberkellner, der mich geholt hatte) »vorhin zu dem schwedischen Ehepaar sagte, mit dem du so lieblich geplaudert hattest: ›Joli petit charmeur, n’est-ce pas?‹ Tu iras loin, mon cher, – mes meilleurs vœux, ma bénédiction.«
       »Du übertreibst, Hector«, erwiderte ich. »Ich muß noch viel von dir lernen, bevor ich daran denken könnte, dich auszustechen, wenn das meine Absicht wäre.«
       Ich sagte da mehr, als meine Meinung war. Denn als an einem der folgenden Tage, während des Diners, Monsieur Machatschek selbst seinen Bauch zu mir heranschob, neben mir stehenblieb, derart, daß unsere Gesichter nach entgegengesetzten Richtungen gekehrt waren, und mir aus dem Mundwinkel zuraunte: »Nicht schlecht, Armand. Sie arbeiten nicht ganz schlecht. Ich empfehle Ihnen, gut achtzugeben auf Hector, wie er serviert, vorausgesetzt, Sie legen Wert darauf, das auch einmal zu

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