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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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ab heute alle >du< zueinander sagen.«
    Das Familienoberhaupt ließ ein freudiges Röhren vernehmen.
    »Ich heiße Karl-Heinz, Prösterchen, alter Junge!«
    - Kling —
    »Ich bin Grete oder Mutti, wie Sie... wie du willst!«
    - Klang —
    »Na, und bei euch beiden scheint mir das schon längst fällig, gell?«

    Lukas legte den Roman des renommierten Autors beiseite. Wieder einmal hatte er sich vergeblich bemüht, einen Anhaltspunkt für die Verleihung des Literatur-Nobelpreises zu finden. Er entzündete eine Zigarette und blätterte in seinem Tagebuch.

    11. März: Ingrid war Mutterbindung. Sie hat mich versorgt. Und was tun Zierholts?

    16. März: Was erzeugt nur den Trennungsschmerz, wenn man doch ganz klar sieht, daß es so besser ist?

    25. März: Tanzabend. An der Wurzel der Nation gerochen! Und dann hat mich das Kind verführt.

    27. März: Diese Renate! Ein gütiges Schicksal gibt ihr ein paar Jahre der Chance, das Leben greift nach ihr, und sie läßt sich treiben. Später heiratet sie ganz brav. Und nie erfährt der Mann, was seine Frau alles hinter sich hat. Wozu auch? Sie setzt Speck an, wird eine gute Mutti und von den Wechseljahren an Kupplerin.

    Ostern: In die Leere nach einer starken Verbindung fällt immer ein falscher Partner. Ich liebe Renate nicht, bin aber froh, daß es sie gibt. Keine Wiederholung! Eine Gattung Weib, auf die ich in Zukunft nicht mehr hereinfallen werde.

    7. April: Schlechte Behandlung ist die halbe Bettnähe.

    10. April: Der Beruf kleckert dahin. Aber im Moment ist das nicht so wichtig. Bin noch nicht übern Berg. Renate ist die Volksausgabe von Ingrid. Besser im Bett, aber sie zieht mich runter. Nächte können abfärben, auch beim Mann.

    15. April: Muttis Geburtstag: Ein unverheirateter Untermieter ist Freiwild!

    Lukas lächelte vor sich hin und drückte die Zigarette aus. Er ging zum Tisch, nahm einen Federhalter und bereicherte sein Tagebuch um folgende Erkenntnis:

    25. April: Von Liebe umzingelt. Der Schoß der Familie öffnet sich wie eine Erdspalte. Koffer packen, es wird Zeit!

    Sie saßen zusammen im »Späten Schoppen«. Peter, der bärtige Maler, mit seiner zehn Jahre älteren Frau Ines ; die beiden Wolfgänge, lebenslängliche Feuilletonisten von zeitloser Greisenhaftigkeit; Daniela, die geschiedene Fotografin mit der Mannequintaille; Pauli, der kunsthandelnde Bauernsohn; Sylvia, modisch-mollige Freundin exzentrischer Männer, Exschauspielerin und Jasagerin aus Gutmütigkeit; Hubert mit der Zigarre und er — Lukas. Das Gespräch, um die utopische Erfindung eines »Nervenheims« kreisend, eines Apparates, der es ermöglichen sollte, körperliche und seelische Reizmomente zu beeinflussen, hatte sich in der Frage festgefahren, ob der Betroffene nach gehabter Reizempfindung überhaupt noch in der Lage sei abzuschalten.
    »Das Ding fördert entschieden die Unmoral«, sagte Peter, »und das geht auch ohne.«
    Daniela, an technisch-sittlichen Verquickungen desinteressiert, sah zu Lukas hinüber.
    »Was ist denn mit dir heute los?«
    Ines und Sylvia, für diese Wendung dankbar, ergingen sich sofort überschwenglich in der Ergründung seiner seelischen Verfassung, bis auch die andern vom Nervenhelm abließen. Lukas hatte sich, wie er feststellen mußte, nach der Trennung von Ingrid nicht ungestraft zurückgezogen; die Freunde waren fest entschlossen, alle versäumte Neugier nachzuholen. Lautstark bemächtigten sie sich seines Falles. Ihre Anteilnahme hatte fast etwas Befreiendes; die späte Stunde und der Wein taten ein übriges, ihm die Zunge zu lösen. Er schilderte sein derzeitiges Dasein, vom Kampf auf der Glasplatte bis zu Wohnungsordnung und Brüderschaft.
    »Du mußt da ‘raus!« entschied das Kollektiv.
    »Warum nimmst du dir kein eigenes Appartement? Du verdienst doch genug?« fragte Ines.
    »Ich wüßte im Augenblick keines, das mir zusagte und auch noch zu haben wäre.«
    »Oder wenigstens ein besseres Zimmer«, riet Daniela. »Zimmer?« wiederholte Peter und sah Ines an. »Wir hätten eventuell eines für dich. Bei zwei alten Damen, sehr kultiviert. Wär’ genau das richtige für dich.«
    »Vorläufig ziehst du eben ins Hotel«, entschied man. Damit war die Wohnungsfrage geklärt, sie bohrten weiter. »Wer tröstet dich eigentlich?« fragte Daniela mit sicherem Instinkt.
    Zögernd gab er Renate preis.
    »Würdest du dich bitte etwas präziser ausdrücken«, bat Pauli. Hubert lachte hinter einer Rauchwolke wie Vater Zeus. Mit zunehmender Ausführlichkeit

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