Bekentnisse eines möblierten Herren
gefragt, ob er einverstanden ist — gut. Aber vor seinen Freunden den Großzügigen spielen, den Mordskerl, der seiner Sache ganz sicher ist, um in Wirklichkeit die Gelegenheit zu benutzen...«
»Aber Sylvia! Ich denke, ihr wollt heiraten?«
»Heiraten? Du siehst doch, daß er mich nicht liebt!« Sie beugte sich vor, um die Asche abzustreifen.
»Ich sage dir, er war sogar froh, daß er mich los wurde... er macht doch andauernd Geschichten. Gut, wenn es unbedingt sein muß! Dann aber bitte so, daß ich’s nicht merke. Was hat er mir da schon geboten! Ich habe geweint, getobt, versucht, ihn eifersüchtig zu machen, indem ich...«
»Das ist das verkehrteste.« Lukas stellte das Radio ab. »Natürlich ist es das. Doch was sollte ich tun? Soll ich ihm eine dicke Suppe kochen und warten, bis er heimkommt? So habe ich doch wenigstens jemand, der mir das Blaue vom Himmel herunter verspricht, während er gerade ähnliches an eine andere hinschwätzt. Ich will’s ja nicht glauben, Lukas, nur hören!«
Lukas drückte seine Zigarette aus.
»Wenn’s dabei bleibt...«
Resigniert winkte sie ab.
»Natürlich werden sie zudringlich. Aber ich bin wenigstens nicht allein. Außerdem ist es mir einfach zu anstrengend, mich zu wehren. Für wen auch?«
»Für dich. Für dich seihst.« Er reichte ihr den Aschenbecher.
»Oder findest du diese Lebensweise besonders apart?« Sie schüttelte den Kopf.
»Ich bin nicht neugierig auf Männer, Lukas, aber ich mache mir auch nichts vor: Ich kann einfach nicht allein sein.«
Lukas schwieg. Gegen die Wand gelehnt, mit übergeschlagenen Beinen, saß sie da. Renate fiel ihm ein. Renate, die Bürgerstochter: hinter der Fassade der Wohlanständigkeit und Bescheidenheit ein leichtes Mädchen! Und Sylvia: gescheiterte Gutmütigkeit, aber ein Mensch! Sie tat ihm ehrlich leid.
»Laß uns endlich schlafen«, brach er das Gespräch ab, »wir haben einen anstrengenden Tag vor uns!«
Und er nahm sie väterlich in den Arm.
Wasserfall.
»Proletenhaushalt!« schimpfte Sylvia.
»Sieben Uhr«, brummte Lukas und schlief als Ortskundiger schon im Umdrehen wieder ein.
An einer bettfüllenden Drehung ihrer Hüfte erwachte er abermals. Es war schon nach acht. Sylvia streckte sich und lächelte ihn verschlafen an.
Sie sieht jetzt ganz anders aus, dachte er, ohne Schminke ist das ein richtiges Gesicht.
Es klingelte zweimal.
Mit einem Satz waren sie aus dem Bett. Lukas schlüpfte in seinen Bademantel und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.
»Setz dich weiter vor, wegen der Ecke! — So.«
Er ging ein paar Schritte rückwärts in den Stollen und prüfte das Bild auf seinen erotischen Gehalt.
»Doch, das genügt.«
Es klopfte.
»Lukas, ein Einschreiben für dich!«
»Moment!«
Er schloß auf.
»Guten Morgen, mein Lieber!«
»Guten Morgen!«
»Na hast du gut geschlafen? Hier, der Brief. Sicher was Wichtiges, gell? So, und da ist ein Bleistift!«
»Danke!«
Lukas trat zur Seite und unterschrieb an der rechten Wand, wodurch er ihr den Blick freigab. Vollkommen sprachlos hielt Mutti dem Anblick der Sünde stand.
Erst als Lukas ihr Bleistift und Quittung in die Hand drückte, wurde sie wieder aktionsfähig. Noch immer ungläubigen Auges trat die so um Schwiegermutterschaft Geprellte einen Schritt zurück und knallte die Tür zu.
»Je nun, das wär’s!« sprach Sylvia und zog sich vollends aus, um sich anzuziehen.
Draußen fiel die Wohnungstür ins Schloß.
Kurze Pause, dann Muttis Zornesstimme: »Herr Dornberg, ich möchte Sie nachher sprechen!«
Es wurde das kürzeste Gespräch, das er je mit Frau Zierholt geführt hatte.
Dann war er frei.
2
>Was will ich eigentlich? Warum sitze ich schon wieder in einem fremden Zimmer statt in einer eigenen Wohnung?< Lukas lag auf dem Bett und starrte an die Decke. Draußen schien die Sonne.
>Soll ich heiraten? Wenn ja — wen? Warum läuft der Beruf so lauwarm, und warum hat Donicke so viel Erfolg? Fünf Jahre jünger ist er und genausoviel voraus. Dabei konventionell, unmodern.
Ob ich wegfahre? Anderswo bin ich auch allein. Hier ist wenigstens Hubert, mit dem man reden kann. Mit wem kann man das schon?
Oder ob ich mich in den jungen Sommer stürze, in die Lockungen des Badestrandes? Ich weiß doch von vornherein, daß ich nichts unternehmen werde. Ich will ja gar nicht. Wille ist überhaupt das Dümmste auf der Welt. Absolute Instinktlosigkeit. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg — der Satz könnte von Hitler sein.
Wozu mache ich mir
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