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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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weiß...
    »Was?«
    »Dreimal darfst du raten!«
    Es war alles sehr schwierig. Der Tisch stand am Fenster, die Stühle in der Mitte vor der Vitrine; Mutter und Tante saßen schon. Renate brachte ihnen den Kaffee.
    Sie mußten die Tassen in der Hand behalten. Karl-Heinz kam mit der Schnur. Er steckte das männliche Ende in die Steckdose neben der Tür und hob die Strippe über die Köpfe der Damen.
    »Zu kurz!«
    Die Vitrine wurde verschoben. Doch als es endlich reichte, fiel drüben der Stecker aus der Dose und die Schnur beinahe in Tante Minnas Kaffee. Onkel Oskar stand hilfreich herum. Nach einigem Hin und Her erbot sich Lukas, seinen Platz an die Tür zu verlegen und den Stecker zu halten. Renate folgte mit dem Kaffee.
    Die Linke am Stecker, in der Rechten die Tasse, saß er da, neuen Schwierigkeiten gefaßt entgegensehend. Der Stumpen qualmte auf dem fernen Tisch. Doch schon nahte Mutter Zierholt mit einem übervollen Glas Triplesec. Sie lächelte freundlich-verzweifeit.
    »Wohin... ach, machen wir’s nicht so formell. Ich stell’ Ihr Glas einfach auf den Boden, gell. Wir sind doch unter uns!«
    Endlich stieg der Vater auf den Stuhl neben der Vitrine. »Licht aus!«
    »Moment!“
    Lukas sah keine Möglichkeit, den Schalter zu bedienen. Renate eilte zu Hilfe, nicht ohne ihn im Dunkeln zu kneifen.
    Die farbige Bildfolge veranschaulichte — vom Tapetenmuster nach Kräften unterstützt — die wesentlichen Eindrücke einer Italienreise aus Zierholtscher Sicht. Schiefer Turm — Markusplatz — Länderspiel Italien gegen Ungarn — Vesuv-Blaue Grotte. Dazwischen Mutter und Renate winkend vor dem Omnibus, der die ganze Adria verdeckte; Karl-Heinz beim Schuhschnüren auf einem alten Meilenstein; Renate in Pose vor einer riesigen Wermutflasche mit der Toscana im Anschnitt. Die Impressionen wurden von langgezogenen Ohs, Ahs und Uihs begleitet.
    »Oh, da! Schau doch, Oskar! — Genau wie auf der Karte, die ihr uns geschickt habt. Ich hab’ sie heute noch.«
    Als es wieder hell wurde und Lukas sich bemühte, seinen Arm unauffällig einzukugeln, zog Vater Zierholt das Fazit: »Wißt ihr noch, wie ihr mich ausgelacht habt, als ich mit dem Fotoapparat ankam? Nun habt ihr’s gesehen! Diese Reise«, er entzündete einen neuen Stumpen, »...diese Reise kann uns jetzt keiner mehr nehmen.« Essbergers gingen gegen sechs. Lukas dagegen mußte zum Abendessen bleiben, einer horsd’œuvrehaft aufgemachten Resteverwertung, zu deren Vertilgung er unbedingt erforderlich war. Danach half er abdecken.
    »Aber Herr Dornberg, das ist doch Frauensache! — Schau dir nur unseren Herrn Dornberg an, Karl-Heinz!«
    Doch Mutti war noch nicht zu Ende. »Die Frau, die Sie mal heiraten, die ist zu beneiden! Frau Essberger war auch ganz begeistert! >So ruhig und vornehm<, hat sie gesagt.«
    Karl-Heinz zog aus Gattungsbewußtsein die Bremse. »Das dürfte Herrn Dornberg wenig interessieren, was Frau Essberger gesagt hat.«
    »Im Gegenteil! Was recht ist, muß recht bleiben, gell.« Renate scheuerte gestrafft an Lukas’ Oberarm vorbei. Das anschließende Spielchen zog sich träge durch die Nachtstunden. Der Triplesec mußte ausgetrunken werden. Die Flasche stammte von Essbergers und war eigens für diesen Tag bestimmt.
    »Du bist dran, Grete«, sagte Vater Zierholt.
    Lukas bedauerte seinen Einfall mit dem Canasta. Vor Wochen hatte er das Spiel eingeführt, aus Notwehr gegen das stumpfsinnige Sechsundsechzig, und jetzt verlängerte es die Runden, zumal paarweise gespielt wurde. Lukas und Renate verloren laufend, was jedesmal geistreiche Sinnsprüche über Glück in der Liebe auslöste, die das Kind mit Schienbeintritten unter dem Tisch noch bekräftigte. Nach der letzten und allerletzten Revanche, vom Siegerpaar großzügig diktiert, ging das grausame Naß endlich zu Neige. Höchste Zeit, Karl-Heinz redete bereits etwas wirr. Die Mutti hob ihr Glas. Feierliche Stille trat ein. »Das war der schönste Geburtstag meines Lebens. So harmonisch und gemütlich, gell. Und dafür möchte ich euch allen von Herzen danken.«
    Tiefe Blicke; kleine Schlücke.
    »Und jetzt habe ich noch eine Bitte! Nachdem wir uns alle so gut verstehen und Sie, Herr Dornberg, eigentlich schon zur Familie gehören... nein wirklich, einen so sympathischen Mieter hatten wir noch nie, gell
    Lukas schaute zu Renate hinüber, die ihre Fingernägel begutachtete, während Mutti gerührt schluckte: »...möchte ich — und diese Bitte werden Sie mir bestimmt nicht abschlagen-, daß wir

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