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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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solche Gedanken? Suche ich Mitleid bei mir? Solange man sich noch Fragen stellt, kann doch gar nichts geschehen. Man steckt in der Entwicklung. Großartig! Ich entwickle mich!<
    Er erhob sich und lief, nur mit seinen neuen Pyjamashorts bekleidet, hin und her. Nach der Hitze im Atelier — die Sonne brannte in diesen Tagen erbarmungslos auf das Dach — hatte er sich’s leichtgemacht.
    Die Tür des behäbigen Biedermeierschranks mit dem mannshohen Spiegel innen stand offen; auf dem Boden lagen wild verstreut Kleidungsstücke, Schuhe, Mappe — Hinterlassenschaft eines lufthungrigen Großstädters. Er blieb vor dem Spiegel stehen.
    »Zum Frisör könnte ich mal wieder gehen. Aber sonst ist der Kopf doch ganz anständig. Die Ohren könnten etwas mehr anliegen, dafür sind die Zähne gesund. Und... doch ja, mit einem Akanthusblatt vor dem Pflichtteil könnte ich noch ganz gut als »Speerwerfer, zweite Wahl« auf einem Sockel im Museum posieren. Ich muß auch nicht die Arme verschränken, wenn die Leute davon reden, welchen ungeheuren Wert sie auf gute Hände legen. Dieses Geschwätz wird eigentlich nie als Eitelkeit empfunden, sondern als gehobene Beobachtungsgabe. In feinsinnigen Kreisen gilt es nahezu als Kriterium.
    Warum muß man nach einer Trennung so lange allein sein? Der Schmerz an sich würde doch völlig ausreichen. Trennung ist Seelenverlust. Man hat zuviel investiert, was man nicht mehr zurückbekommt. Es muß nachgelitten werden, bis der alte Kontostand wieder erreicht ist.»Er stutzte.
    »Das werde ich mir sofort aufschreiben!»
    Er schrieb die gewonnene Erkenntnis in sein Tagebuch und legte sich wieder auf das Bett.
    >Ich muß meinen Blickwinkel ändern. Blickwinkel als Selbstschutz! Ich fühle ja, daß etwas kommen wird, weil ich hoffe. Hoffnung ist berechtigte Spekulation aus dem Wissen um die Substanz. — Ich werde mich jetzt einfach freuen. Freuen, daß ich allein bin. Los von Ingrid, die mich gelähmt hat; los von Renate, die mich herunterzog. Ich bin unterwegs! Was soll ich mit einer Wohnung? Das hat Zeit. In der Welt muß man zu Hause sein, nicht in der Versicherung. Ich habe Arbeit, die mir Spaß macht, und sitze seit vierzehn Tagen in einem heiteren Zimmer. Peter hat Wort gehalten, der Gute. Die Sonne scheint, und ich sehe sie sogar. Ich bin frei! Das Regal der Beziehungen ist gesichtet. Die Tischrunde im »Späten Schoppen«, das sind sie, die Übriggebliebenen. Ich bin nicht allein. Wozu mich fragen, wie Sie sein müßte? Wozu »sie« suchen? Sie wird kommen, ja es werden vermutlich noch einige kommen — Etappen, Durchläufe, Sublimierungshilfen...
    Keine Grübelei! Das Leben ist nicht so albern logisch, wie unser Verstand es zu erfassen versucht — viel reizvoller und paradoxer. Mühsames Unterfangen, es registrieren zu wollen. Und mein Tagebuch? Huberts Rat war gut. Das ist solide Bewußtmachung, Wiederkäuen, Verdichtung durch Ordnung. Ich will an mich denken und den Augenblick gläubig genießen! Ich will mir eine Freude machen, mir was schenken. Schenken! Raus aus der Enge! Schenken und verschenken... sich verschenken. Ich kriege Gänsehaut! So bin ich gedacht! Ich verschenke mich an das Leben mit meiner ganzen Kraft, und wenn sie verbraucht ist, wird freudig gestorben! Zuerst aber schenke ich mir eine Badehose. Große Ereignisse erfordern Gesittung.<
    »Prenons le thé!«
    Alma stellte das Tablett auf den Tisch. Die kalbsgroße Dogge richtete sich auf, um mit sabberndem Gebell ihren Ärger über die Ruhestörung zu bekunden.
    »Tais toi, Marina!« herrschte Gustl das Tier an.
    Alma goß den Tee aus tönerner Kanne in zwei reichverzierte asiatische Schalen, deren Henkellosigkeit verriet, daß in diesem Hause das wasserüberbrühte Darjeeling-Spitzengewächs nicht als simpler Tee getrunken, sondern als Zeremonie genossen wird.
    Gustl schritt zum Bücherregal hinüber, entnahm einem chinesischen Lackkästchen zwei Rauchstäbchen und entzündete sie. Im Nu war der nüchterne Raum in den heidnisch-sakralen Duft intellektueller Ersatzreligion getaucht. »Alors, prenons le thé.«
    »Serve-toi«, sagte Alma, indem sie Gustl einen Teller mit Studentenfutter hinhielt.
    »Merci, merci, ma chère!«
    Gustl setzte sich auf eine der beiden bekelimten Couches und lehnte sich, die Teeschale zwischen den kurzen, kräftigen Fingern, gegen die Bastverkleidung der Wand.
    »Qu’est-ce que tu fais après?«
    »J’irai acheter quelque chose.«
    Auch Alma hatte sich zurückgelehnt. Die knallrote

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