Bekentnisse eines möblierten Herren
willen, transparente Atmosphäre...«, fabulierte Lukas geschickt drauflos. Alma schüttelte den Kopf.
»Sie formulieren das so selbstverständlich, leben aber das Gegenteil. Da ist doch eine Diskrepanz!«
»Sagen Sie das nicht! Die Industrie, für die ich meist arbeite, verlangt klare Formen, aber nicht vom Geistigen her, sondern von der »Zweckdienlichkeit*, um das schöne Wort zu gebrauchen; und hier ruhe ich dann von dem allzu Funktionellen aus. — Ist das eine Erklärung?«
»Zumindest interessant. Sehr interessant. Sie gehen den Dingen auf den Grund.«
Es klingelte.
»Das wird Pierre sein.« Sie stand auf. »Es war sehr anregend, mit Ihnen zu plaudern. Wenn ich der Baronin erzähle...«
Es klingelte abermals.
»Noch eins: Samstag in acht Tagen hält Professor Bärenkämper einen Vortrag bei uns über Mythologie und so... nachher malen wir dann Mandalas. Wenn Sie kommen wollen? Sie können auch noch jemand mitbringen.«
Es klingelte zum drittenmal.
»C’est agassant! Diese jungen Menschen! Wenn sie zur >Stunde< kommen, können sie einfach nicht warten; nun gibt Gustl ihnen ja auch wirklich viel.« Sie war schon halb auf dem Gang — »ach, und meine Ratatouille! Also: tout à l’heure!«
»Uddiana Bandha«, befahl Gustl.
Peter lag in der Mitte des großen Teppichs auf dem Rücken und zog den Bauch ein. Die Baronin kniete über ihm und schob mit den Händen kräftig nach.
»Das lockert dein Tschakra, merkst du’s?«
Sie drückte ihm aufmunternd auf den Bauch, wodurch er »Ja« gesagt wurde.
»Na siehst du! — Und jetzt ein Budschangasana!«
Mit der Gelassenheit eines indischen Bettelmönches glitt Peter in den Liegestütz, von Gustl aus dem Lotussitz kritisch beäugt.
»Sarwangasana!«
Peter stützte sich in die Kerze.
»Sirschasana!«
Peter stand köpf.
»Trikonasana!«
Peter beugte sich mit gespreizten Armen seitwärts.
Die »Stunde« glich einem Abhören indischer Vokabeln unter sofortiger Ausführung.
»Nasagra Drischti!«
Peter begab sich ebenfalls in den Lotussitz und schielte hoch konzentriert auf seine Nasenwurzel, indes Baronin Gustl weitere Rauchstäbchen entzündete, um für ein entsprechendes »Prana« zu sorgen. Dann griff sie zum Tamburin. Der Jünger Labans — barfuß — hüpfte quer durch den Raum, vom Flügel in der einen Ecke zu der altindischen Vina in der anderen und zurück. Hin und zurück, hin und zurück.
»Locker, locker, spannen und fallen lassen...«, bis das Prana der Rauchstäbchen im Prana der Transpiration unterging, so daß Gustl das Fenster öffnen und Großstadtprana hereinlassen mußte.
»So, jetzt mach alle Glieder schwer und entspanne dich!«
Als ordentlicher Untermieter brachte Lukas — nachdem er sich auf dem Fensterbrett noch etwas gesonnt hatte — das Tablett hinaus. Sein Zimmer lag am einen Ende des Korridors, der Wohnungstür gegenüber. Von hier bog der Gang nach links ab und mündete geradewegs in die Küche. Unbeholfen balancierte er das glatte schwarze Lacktablett, auf dem die Schalen durcheinanderrutschten. Kurz vor der Ecke stand neben der verkleideten Zentralheizung ein kleiner Tisch. Lukas setzte die Last ab. Oben von der Marmorplatte lächelte ein elfenbeinerner Buddha, gelb wie ein Raucherzahn. Um den Tisch herum standen vier Asconahocker, auf denen die zur »Stunde« Bestellten zu warten und Tee zu trinken pflegten. Lukas war gerade dabei, das Geschirr nach physikalischen Gesichtspunkten zu ordnen, als die Tür zum Studio geöffnet wurde.
»Wohl bekomm’s!« vernahm er Gustls Stimme von drinnen. Peter stand neben ihm.
»Ach, du bist dieser Pierre?« sagte er erstaunt.
»Ich...«, stotterte Peter sichtlich verlegen, »...ich... ich habe die Baronin besucht. Und du?«
»Ich wohne hier seit vierzehn Tagen, wie dir ja bekannt sein dürfte. Komm, hilf mir mal. Das Ding ist so glatt, daß bei jedem Schritt alles durcheinanderrutscht.«
Peter sah auf die Uhr.
»Ich... bin etwas in Eile.« Doch er blieb.
Gemeinsam brachten sie die Fracht sicher ans Ziel. »Und jetzt zeige ich dir das Zimmer, das du mir freundlicherweise vermittelt hast. War einer deiner besten Einfälle.« Sie setzten sich auf das Fensterbrett und rauchten in die Sonne.
»Du nimmst also Stunden bei Gustl?«
Peter nickte.
»Das verstehst du nicht... das ist nicht nur Gymnastik... das ist - wie soll ich dir das erklären — , es ist auch Psychologie dabei, Atemübungen, Zwerchfellockerung... Ines hat mich darauf gebracht.«
Lukas zog die Stirn
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