Bekentnisse eines möblierten Herren
Sylvia.
»Ich kann mir denken, was ich will. Ich bin siebenunddreißig und habe keine Kinder.«
»Findest du das sehr entlastend?« fragte Lukas belustigt.
Daniela schenkte ihm ein ausführliches Lächeln. Sylvia hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und war noch bei den »damaligen« Ereignissen.
»Mutti Zierholt — hast du noch mal was von ihnen gehört?«
Lukas schüttelte den Kopf. Er wollte gerade wieder an Marie-Luise denken, doch die quantitative Überlegenheit der versammelten, nur spärlich bedeckten Brüste verdrängte das Bild.
»Ihr seid ausgesprochene Bettschönheiten«, lobte er spontan und bekam sofort die Flasche.
»Nein, daß man so was wieder mal gesagt bekommt«, spottete die aufgekratzte Daniela. »Dürfen wir uns in irgendeiner Form revanchieren?«
»Wie soll ich mich dazu äußern?«
»Das hängt ganz davon ab, ob du den Umstand, daß wir uns hier im Bette tummeln, als Hinderungsgrund ansiehst.«
Lukas war drauf und dran, demThema »Reisen mit Freunden« eine neue Perspektive abzugewinnen. Die milde Nacht und der Kognak taten ein übriges; ihm wurde warm, und er wickelte seine Beine aus Sylvias Decke. Daniela verfolgte den Vorgang mit Spannung. »Nein, hat der Mensch schöne Füße! Negerfüße, richtig heidnisch, ohne die Knödelzehen der Bibelillustrationen. Schau doch mal, Sylvia!«
»Ich weiß«, antwortete die Freundin trocken und nahm sich, ohne hinzusehen, die Flasche.
»Natürlich weißt du! Von eurer »Wahnsinnsnacht*!« rief Daniela mit gespielter Schärfe, »fang nur nicht wieder von den Quitten an! — Und diese Beine in den Shorts! Wie von einem Perversen modelliert! Männerbeine haben für mich etwas ungeheuer Aufregendes. Natürlich nicht die dünnen, atrophischen... Tu sie weg! Sofort!«
Lukas steckte die beanstandeten Objekte wieder unter die Decke. Doch diesmal unter die Danielas. Schlagartig wechselte ihr Gesichtsausdruck.
»Oh, ein Kavalier!«
Seine Gliedmaßen pirschten rekognoszierend durch die neue Umgebung. Da war Daniela! Er hielt inne. Ohne den Blick von ihm zu wenden, hob sie ihr Bein an und senkte es ganz langsam zwischen die seinen.
»So«, sagte sie zufrieden.
Lukas’ Herz floh zu Marie-Luise, doch Danielas Nähe war stärker. Einen Augenblick lang herrschte absolute Stille. Nur ihr Atem — oder war es sein eigener?
»Haben wir es nicht gemütlich?« lockte sie mit artistischer Reife.
»Doch, sehr«, antwortete unvermutet Sylvia und nahm einen Schluck. Daniela kuschelte sich wohlig zurecht. Seine Erregung entging ihr nicht.
»Weißt du, Sylvia, es ist so beruhigend, einen Mann da zu haben, der männlich genug ist, Distanz zu halten«, fuhr sie in ironischem Singsang fort.
»Das ist Lukas«, antwortete Sylvia fern.
»Du scheinst schlechte Erfahrungen gemacht zu haben, Daniela«, fiel er in ihren Ton ein.
»Und ob! Eine geschiedene Frau ist sozusagen Freiwild. Jeder Mann glaubt, man erwarte von ihm, daß er sich bestätige. Mühsam ist das, äußerst mühsam.« Und sie wippte mit dem Fuß.
»Du drückst das sehr gepflegt aus.«
»Ich lese viel. Das hebt den Stil.«
Lukas bat Sylvia um die Flasche.
»Und was liest du, wenn ich fragen darf?«
»Du darfst. — Nun ja: Proust, Flaubert, Balzac...«
»Und warum gerade die?«
»Als Kompensation sozusagen! Die haben noch etwas von Frauen verstanden.«
Der Übergang zur Literatur verbesserte die Situation keineswegs, und so war es nicht weiter verwunderlich, wenn der Brief an Marie-Luise in dieser Nacht nicht mehr fertig wurde.
Gracia bot, was sie zu bieten vermochte. Drei volle Tage lang verstand sie es, mit ihren bloßen siebzehn Jahren die Garde der Bewunderer nach ihrem Willen strampeln zu lassen. Drei flimmernd heiße Tage voll versteckter Feindseligkeiten, Motorbootgeknatter, Stechmücken und den Zelten nächtens gelandeter Faltbootfahrer auf dem Grundstück.
Am Morgen mußte der ältere der beiden Wolfgänge die ganze Wucht seines respektgebietenden Haarausfalls einsetzen, um die usurpierten Naturfreunde wieder zu vertreiben, was ihm oft ein Schuldgefühl einbrachte, als habe er Flüchtlinge abgewiesen oder Fahrerflucht begangen. Kein Wunder, wenn er nach solcher Unbill Gracias Formen wie ein rezeptpflichtiges Stimulans genoß. »Bikini, Opium der Senilen«, bemerkte Ines einmal spitz. Als das Fleisch seine Wirkung schwinden sah, verfiel es auf die Idee, sich fotografieren zu lassen. Beileibe nicht von Daniela, die sich entschieden geweigert haben würde. Glücklicherweise
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