Bekentnisse eines möblierten Herren
besaß auch der jüngere Wolfgang einen Fotoapparat. In Bademantel und Sandalen — wie ein ausgesetzter Homme de lettres wirkend — knipste er, indes sein Pendant mit adoleszenter Verve die jeweiligen Posen ersann. Peter leistete Zubringerdienste, holte erforderliche Requisiten, brachte sie wieder zurück, wobei ihn sein schlechtes Gewissen jedesmal mit einem eifrigen Scherz an Ines’ Liegestuhl vorbeiführte. Pauli endlich besorgte den handgreiflichen Teil des Kostüms und der Maske. So entstand eine Bildserie von jener erotischen Schalkhaftigkeit, mit der sich Pubertätsjournale durch die Schere des Zensors zu mogeln pflegen: Gracia auf einem Bein am Bootssteg; Gracia und der Gartenzwerg; Gracia mit der Gießkanne, Gracia nur mit einem Herrenhemd bekleidet; Gracia sich bückend, Gracia pflückend; Gracia, Gracia, Gracia.
Am Abend des vierten Tages schließlich spielte sie ihren letzten Trumpf aus. Die erschöpften Männer unterhielten sich bereits wieder verdächtig angeregt. Peter hatte den Arm auf Ines’ Stuhllehne gelegt, Lukas alberte mit Sylvia, die beiden Wolfgänge genossen Danielas Schlagfertigkeit, und Pauli war schon ziemlich angetrunken. Nachdenklich zuckenden Popos schritt Gracia auf und ab.
»Ich geh’ noch mal ins Wasser, wer kommt mit?« Niemand rührte sich, was Ines zu einer Unvorsichtigkeit verleitete.
»Jetzt noch mal in das nasse Zeug? Ich bitte Sie...«
»Wer spricht denn von Badezeug? Ist doch dunkel.« Selbstverständlich wurde gebadet. Und entschlossen, wenigstens bei Nacht keinen Meter des wiedergewonnenen Terrains zurückzugeben, machten auch die Damen mit.
Wenn Gracia in zwanzig Jahren noch so aussieht, kann sie froh sein, dachte Lukas, als Daniela mit einem »Na, du?« in Zeitlupe an ihm vorbeihuschte. Nur Ines blieb angezogen am Steg zurück.
Die beiden Wolfgänge flohen schnatternd in ihre Zimmer, Peter verschwand nach kurzem, heftigem Wortwechsel mit Ines ebenfalls, Gracia und Pauli sowieso. Lukas blieb übrig, ein freundlicher, doch in die Ferne orientierter Hahn im Korbe vernachlässigter Hühner. Sie setzten sich ins Wohnzimmer. Ines stocherte energisch im Kamin herum, Daniela lag quer in einem Sessel, den beweglichen Stehaschenbecher mit den Füßen hin und her schubsend. Sylvia lag nur. Lukas fühlte, wie der Ärger der nicht Gewürdigten auf ihn zukroch. Und warum? Weil ein dreistes Mädchen die Selbstverständlichkeiten ihres Jahrgangs ausgespielt hatte! Die Versager schliefen und drängten ihm die Initiative auf, das Schiff mit der sinkenden Büste zu heben. Er trank, weil er zögern, und zögerte, weil er seine Ruhe haben wollte. Seit zwei Tagen hatte er nicht mehr an Marie-Luise geschrieben. Was hätte er ihr auch schreiben sollen? Die komprimierte Wohnanordnung, die Hitze, die ermunternd leichte Kleidung, sein Schuldgefühl Sylvia gegenüber, das alles war nicht dazu angetan, einen Einsamen auf Kurs zu halten. Die versammelte weibliche Reife wuchs zur Beklemmung. Er dachte an Hubert. Was würde Hubert in solchem Fall tun? Er würde sich auf sein Alter berufen und schlafen gehen. Auch kein Trost. Und so floh er nach vorn.
»Ich habe euch überschätzt! Um mich deutlicher auszudrücken: Ihr seid dumm!«
Sie blickten auf.
»Jawohl dumm! Drei ausgewachsene Frauen, sonst um keinen Trick verlegen, kapitulieren vor dem bißchen Popogewackel!«
Ines hörte auf zu stochern und kam herüber.
»Wer kapituliert hier?«
»Ihr?«
»Wir? Wer schleicht denn dauernd um das Mädchen herum?« fragte Ines.
»Und warum tun sie das?« antwortete Lukas mit der Gegenfrage.
»Weil sie jung ist.«
Er nickte: »Trotzdem habt ihr keine Ahnung von der männlichen Psyche!«
Dezentes Hohngelächter.
»Am Ende hält er uns für lesbisch?« spottete Daniela, gab dem Aschenbecher einen Schubs und setzte sich gerade. Sylvia beugte sich flüsternd zu ihr hinüber.
»Es soll genauso aufregend...«
»Unterbrecht ihn doch nicht andauernd!« unterbrach Ines. Lukas machte eine gewichtige Pause.
»So ein Mann ist viel ärmer dran, als ihr denkt. In der Jugend, wo ihm Gracias Jahrgang entspräche, ist er zu schüchtern oder hat zuwenig Geld, um seiner Anima zu frönen. Nachher muß er sich beruflich durchsetzen und kommt wieder nicht dazu. Hat er’s dann endlich geschafft und dreht sich nach ihr um, ist es bereits zu spät. Denn jetzt geschieht es nicht mehr des Subjekts wegen — da überschätzt ihr ihn-, sondern aus Angst.«
Erstaunen. »Aus Angst?«
»Jawohl. Aus Angst, seine Jugend
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