Bekentnisse eines möblierten Herren
bißchen mehr zu reiben, dort noch ein bißchen fester, Aufforderungen, die sichtlich nach bestem Wissen und schlechtestem Gewissen erfüllt wurden. Aus der Tatsache, daß Pauli die Ölung rund um den Bruststeg allein ausführte, ergab sich die Besitzfrage mit zwingender Deutlichkeit. Dann mußten alle das Badetuch an den Enden aufheben und sie darin schaukeln. »Und jetzt ins Wasser«, befahl das Fleisch mit kreischender Stimme. Die Hanswurste schwangen noch einmal kräftig durch, ließen los und sprangen sofort hinterher.
Die Szene wiederholte sich so lange, bis ihr eine neue Variante einfiel.
Lukas drehte sich um und schwamm in den See hinaus. Ein Motorboot voll satter Fröhlichkeit flitzte vorbei, einen Wasserschiläufer hinter sich herziehend. Plötzlich laute Radiomusik von links. Eine Jacht hielt direkt auf ihn zu und wendete erst im letzten Moment. Der arrivierte Unternehmer mit Seemannsmütze rief: »Ahoi!« Rechts voraus lag das Ruderboot »Heidi IV«, wie Lukas am Bug deutlich lesen konnte. Genauso sah die einzige Insassin auch aus. Als er näher kam, tauchte hinter der Bordwand ein finsteres Männergesicht auf; dann wieder Motorengeknatter, diesmal eine Wasserschiläuferin, die zu einem Reklamezeppelin hinauf winkte, und von der Landstraße her nervöses Hupkonzert aufgehaltener Freizeitgestalter. Die Großstadt wird gelüftet: Reisezeit — Auspuffzeit!
Die volle Problematik gemeinsamen Ruhedaseins aber bekam Lukas erst am Abend zu spüren. Wenn Erholung Tempowechsel bedeutet, wie Hubert es formuliert hatte, so müßte dieser unter Freunden in schöner Gemeinsamkeit vollzogen werden. Andererseits beruht das Prinzip der Freundschaft gerade darauf, daß jeder ungeniert tun und lassen kann, was er will. Solche Erwägungen, durch die Umstände gespeist, zwangen Lukas zu der frühen Erkenntnis, daß Reisen mit Freunden fast noch schwieriger sei als mit einer Reisegesellschaft, in der durch das feste Programm eine gewisse Ausrichtung herrscht. Und plötzlich verstand er, weshalb Hubert sich so beharrlich geweigert hatte mitzufahren.
Dabei hätte das Abendessen auf der Terrasse so schön sein können. Die Schatten der alten Bäume gegen den milden Nachthimmel, der brennende Gartenkamin, der kühle Duft des Sees, Danielas überwältigende kalte Platte — unfehlbare, bis an die Kitschgrenze provozierte Requisiten des Wohlbehagens, solange nicht die Hauptsache fehlt, die hier fehlte: Harmonie. Ihm war, als säße er in einem Heurigengarten allein bei einem Liebespaar am Tisch.
Zu allem Unglück drehte sich das schlurfende Gespräch auch noch um Mode.
»Ich finde, die Frauen müßten endlich dahin kommen, nur noch das zu tragen, was ihnen wirklich steht«, konstatierte Pauli ebenso treffend wie fehl am Platz.
»Da würden sehr viele erfrieren«, antwortete Ines kalt. Lukas sah zu Gracia hinüber. In engen Hosen und weitem Pullover posierte sie scheinbar selbstvergessen vor dem offenen Feuer.
Angezogen hat sie überhaupt kein Gesicht, dachte er. »Was mich betrifft, so habe ich gegen leichte Schürzung nichts einzuwenden«, warf ein müder Wolfgang ein. »Daß gerade du das sagst, entbehrt nicht einer gewissen Komik«, sagte Sylvia. »Schaut ihn doch an! Bademantel über den Kleidern, wie im Männeraltersheim.«
»Er steht ihm auch besonders gut«, half der andere Wolfgang dem Angegriffenen.
»Pauliiiii«, unterbrach das verhüllte Fleisch die sich anbahnende Diskussion, »gib mir bitte einen Whisky!«
»Is’ leer.«
»Dann möchte ich einen... einen Wodkaaaa«, dehnte das Gör ihre Worte, um die Aufmerksamkeit vollends auf sich zu lenken.
»Wodka ist nicht. Höchstens Kognak.«
»Dann einen Campari. On the rocks. Aber mit frischem Eis.«
»Moment«, sagte Pauli ergeben und lief hinein, das Gewünschte zu holen. Lukas versuchte das Gespräch wieder in Gang zu bringen.
»Männer sehen Frauen immer pauschal, ganz gleich, was sie anhaben«, sagte er und überlegte, wie sich wohl Marie-Luise zu diesem Thema äußern würde.
»Sehr richtig«, erwiderte Daniela, »Ihr bemerkt es überhaupt nicht, ob wir gut angezogen sind oder nicht.« Pauli kam mit einem Glas zurück.
»So Püppi, hier ist dein Campari.«
Lässig, ohne ein Wort des Dankes zu verlieren, nahm Püppi das Glas an sich und hielt es wie auf einem Modefoto. Pauli setzte sich wieder und fuhr fort: »Wenn sich, wie gesagt, die Frauen zeitloser anziehen würden, könnte der Mann viel eher sehen, ob eine zu ihm paßt oder nicht. Statt dessen
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