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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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versäumt zu haben.« Er hob die Stimme. »Und in dieser seiner größten Not kapituliert ihr, zieht euch in den Schmollwinkel zurück und laßt den Armen mitleidlos der Angina pectoris entgegendämmern.«
    »Ein Mann mit komplizierten Gedankengängen — sieh mal an!« sagte Daniela.
    Lukas schritt bedächtig auf und ab. Ines verfolgte ihn mit großen Augen.
    »Und was sollten wir statt dessen tun?«
    »Keine Eifersucht zeigen, sondern Toleranz; abwarten auf Kameradschaftsebene. Das kann er von euch verlangen, ihr habt den schärferen Instinkt. Überlegt doch mal: Je mehr er bei euch die Freiheit fühlt, je mehr er so sein kann, wie er ist, desto schneller bekommt er bei der Jüngeren, bei der er sich anstrengt, Komplexe und kehrt zurück. Er muß zurück! Und es liegt nur an euch, wohin.« Schweigen. Lukas stand vor dem Kamin und betrachtete das Bild der Plastikverschließersgattin.
    »Den Erfolg deiner These siehst du ja an mir«, sagte Sylvia trocken.
    Er fuhr herum.
    »Du hast Angst vor dem Alleinsein. Das ist etwas ganz anderes. Such dir Männer, die dir wirklich überlegen sind, statt der Versorgung, dann passiert so etwas nicht.« Ines schüttelte mitleidig den Kopf.
    »Du siehst das Problem mit einer Einseitigkeit, deren nur ein Mann fähig ist. Jede Frau hat Angst vor dem Alleinsein, vor dem Moment, wo sie abtreten muß.«
    »Und genau die könnte sie sich sparen. Nichts macht so alt wie die Angst vor dem Altwerden!«
    »Wenn du mich jetzt noch schlägst, werde ich dir hörig«, lachte Daniela.
    »Was also rät uns der Herr?« fragte Sylvia.
    Lukas trat an den Tisch, füllte ein Glas und überlegte, während er trank.
    »Lebt mit dem Mann statt nebenher! Lernt zuhören! Diskutiert seine Probleme und nicht nur eure Kleider! Dann fährt euch nicht gleich der Schreck ins Korsett, wenn ein Mädchen im Bikini daherkommt. Gewöhnung, Langeweile — das sind eure Feinde. Nicht die da! Nur der Mann, der zu Hause kein Echo findet, läuft zu der Jüngeren, die ihn bewundert. Der Hund, der den Knochen apportiert, will belobigt werden. Das ist die ganze Psychologie.«
    »Also Eitelkeit?«
    Lukas nickte.
    »Die Eitelkeit ist das Klimakterium des Mannes.«
    »Das klingt fast zu durchdacht, um noch tröstlich zu sein«, bemerkte Sylvia.
    Dieses Lob auf seinen in die Enge getriebenen Geist hob Lukas über sich selbst hinaus.
    »Habt ihr es denn immer noch nicht begriffen? Seid souverän! Bekennt euch zu eurem Alter! Zeigt mehr Natürlichkeit und weniger Kosmetik, mehr Reife und weniger Schmuck. Jugend ist kein Privileg, nur ein Durchgang. Gibt es denn etwas Ausdrucksvolleres als eine schmale Hand mit Wissenden Fingern, wie man so schön sagt, und den kleinen braunen Flecken auf dem Handrücken? Die zarten Fältchen auf dem Lid, die das Auge erst zum Auge machen? Ungetöntes ergrauendes Haar, Farben, wie nur der Herbst sie hervorbringen kann? Die Transparenz der Haut einer Frau, die Kinder hat? Weiche Linien leicht verfetteter Grazie! Vollreife! Medium der Hingabe…«
    »Ich küsse dich, lüg weiter!« jubelte Daniela und beugte sich zur Tat. Lukas dampfte innerlich wie ein edles Pferd. »Es ist mein Ernst«, gelobte er voll erotischen Feuers. »Vollendung beginnt hei fünfunddreißig.«
    »Lukas, du bist der goldigste Mann, der mir jemals nicht gehört hat«, rief Ines. Weitere Küsse folgten. Marie-Luise war völlig vergessen. Zum erstenmal in seinem Leben hatte Lukas’ Unbewußtes sein weibliches Ideal zutage gefördert. Doch in seinem chevaleresken Eifer merkte er es gar nicht. Aufrecht stehend kippte er einen Whisky, wie im Film der gute Sheriff, wenn alle Gauner tot sind. Hart setzte er das Glas auf: »So, und ab morgen möchte ich Gracias dummen Stehbusen nicht mehr sehen! Gute Nacht.«
    Sie schauten ihm nach.
    »Du siehst, Sylvia, wie richtig es war, ins Wasser zu gehen«, spottete Daniela.
    »Da hätt’ ich ja auch ‘rein gekonnt«, schloß Ines, sich straffend.
    Lukas war auf die Terrasse hinausgetreten und sog die milde Nachtluft ein, als läge seine Lunge doppelt breit. So mochte einem siegreichen Rebellen zumute sein, dem das Volk nach flammender Balkonrede bedingungslos huldigt. Die architektonische Struktur schien umgedreht. Drinnen lag der Balkon, die noch immer jubelnde Menge darunter; hier draußen unter dem hohen Gebälk der Sterne das Arbeitszimmer, die Stätte seines Wirkens, in diesem Falle für die Frauen. Wie recht seine aufgewühlte Phantasie hatte, konnte er noch nicht ahnen. Sylvia trat neben

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