Bekentnisse eines möblierten Herren
sein.
Lukas räumte den Platz und begab sich zur Bibliothek, die, eichengefaßt, die ganze Wand hinter der Klubgarnitur einnahm. Das heißt, so groß war sie bei näherem Hinsehen gar nicht. Der Hort des Wissens wurde rechts und links von zwei etwa meterbreiten Türen begrenzt, hinter denen sich vermutlich die eingebaute Fernseh- und Radioanlage befand. Mit quastenbewehrten Schlüsseln hielt die Technik die Bildung im Zaum. Lukas trat näher. Da standen sie! Mit breiten Lederrücken, die sieben Säulen der Teilhaberschaft an abendländischer Kultur: Goethe, Schiller, Knaur, Brehm, Busch, Clausewitz und die Bibel — hinter Glas.
Um diesen Kern rankten sich neben »Soll und Haben«, »Hindenburg«, »Duden« und dem »Hausbuch neuen deutschen Humors« eine Art guter Kamerad für Erwachsene: »Atom«, »Mensch im Weltall«, »Die großen Erfinder«, »Vom Steinbeil zur Chemiefaser« und Jauchenbergers »Wonne des Fliegens«. Dazwischen Reise- und Opernführer, Camping-Abc und mancherlei Erbauliches, wie »Lehrer Hempel geht in die Stadt« oder »Erika auf großer Fahrt«. Auch van der Velde, »Ehekrisen« und »Frau im Heim« fehlten nicht. Ein überdimensionierter beleuchtbarer Globus, dessen Schnur einladend herabhing, krönte den Hort.
Lukas ließ sich in einen Sessel fallen. Sein Bestreben, die Arme auf den schenkelbreiten Lehnen auszustrecken, wurde auf der einen Seite von einem Aschenbecher gestört, der kraft des Gewichts eines bleibeschwerten Riemens seinen Platz erfolgreich verteidigte. Kurzerhand disponierte er um und legte die Füße auf den Keramiktisch. Doch ein güldener Zigarrenabschneider, auf ein halbes Geweih gepfropft, stach ihm in die Wade. Ausweichen konnte er nicht, denn daneben türmte sich ein umfangreiches türkisches Rauchservice mit Kerze haltender Ringelschlange und vielen üppig ziselierten Schalen aus Messing. Abermals umdisponierend, ließ Lukas die Arme seitwärts herunterhängen. Dabei stieß er jedoch mit der Rechten in eine hölzerne Zeitungskrippe mit Chrombügel und herbem Flechtwerk, mit der Linken gegen einen metallenen Stehaschenbecher, dessen gummigelagerter Schaft devot auswich, während der Sockel die Stellung hielt.
Mit stummem Aufschrei nach Bequemlichkeit in all dem Komfort lehnte er den Kopf zurück. Vorbei glitt der Blick an hochgezogenen Wolkenstores hinter schweren Damastportieren zur Decke. Dort schwebten an kantigem Stiel aus geflammter Birke vier marmorisierte Schalen dräuend über seinem Haupt. Er sprang auf. Sein Blick suchte nach dem Bild der Frau, die robust genug war, diese barbarische Gemütlichkeit nicht nur zu verkraften, sondern auch zu pflegen. Über dem Kamin fand er sie. Harte Ölarbeit in der fast spachtelhaften Manier, wie sie für gewöhnlich nur zur Verdeutlichung der Wildheit der herrlichen Bergwelt verwandt wird. Spitz lächelnd lehnte die Mollige nach Art alternder Soubretten in großem Abendkleid an einem Flügel, den seinerseits neben faltenschwerer Decke eine Vase voll herrlicher Chrysanthemen zierte. »Carpe diem«, las Lukas auf einem gemauerten Spruchband über der Feuerstelle und schickte sich umgehend an, es zu tun.
»Wo sind eigentlich die anderen?«
»Drunten am Steg«, antwortete Sylvia.
»Und ihr sitzt hier im Schatten?«
»Schatten ist das richtige Wort!« sagte Ines, »geh nur ‘runter.«
Auf den ersten Blick sah es nach einem Wiederbelebungsversuch aus. Rechts kniete Pauli, einen schlanken Arm in der Hand, links Peter, den anderen schwenkend. Unten die beiden Wolfgänge, jeder mit einem Bein bewaffnet. Bei näherer Betrachtung wurde jedoch klar, daß es sich hier um eine liebevoll im Kollektiv durchgeführte, gleichmäßige Verteilung von Sonnenöl auf äußerst wohlgestalte Extremitäten handelte.
Pauli entdeckte ihn zuerst.
»Ja, der Lukas. Servus!«
Das Massage-Team erhob sich zur Begrüßung. Das Mädchen war bemerkenswert schön gewachsen. Blond, schmal und prall zugleich, in phantasieschonendem Bikini.
»Darf ich vorstellen: Lukas Dornberg...« Pauli hielt inne, als erwarte er einen Trommelwirbel, »Gracia Kuchenmüller.«
Gelangweilt reichte das junge Fleisch Lukas die Hand, eine labile Hand mit arbeitsscheuen Krallen. Die Massage wurde fortgesetzt. Lukas wollte nicht weiter stören, sprang ins Wasser und beobachtete auf dem Rücken schwimmend die ölige Lockung.
Das Fleisch, so schien ihm, gewährte seine Gunst nach einem vielfach erprobten Verteilerschlüssel. Reihum forderte sie jeden auf, hier noch ein
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