Bekentnisse eines möblierten Herren
Muttersöhnchen er bekämpft nur die bürgerliche Herkunft in sich. Eine zehn Jahre ältere Frau braucht er dazu und schafft es nicht.«
»Aber die Ehe stimmt doch!«
Hubert lächelte, wodurch Lukas nur noch mehr aus dem Häuschen geriet.
»Damit wären wir bei Punkt zwei, bei der einzig möglichen Voraussetzung für eine Ehe überhaupt: Peters Ehe stimmt, weil Ines ihn zu dem zwingt, was er kann. In diesem Fall sogar zu mehr.«
Lukas schwieg. Seine wachsende Unruhe entging Hubert nicht. Er setzte nach.
»Nun sind Anspornpartner ja nicht sonderlich beliebt. Man denkt da gleich an krankhaften Ehrgeiz, Auseinandersetzungen, Pantoffelheldentum; der Gedanke, daß Auseinandersetzungen auch produktiv sein könnten, wird von vornherein verworfen, die Mehrzahl orientiert sich nach kommoderen Vorzügen. Gut, mögen sie glücklich werden, sich verstehen beim Tennis, in der Bar, in der Küche oder im Bett — was kommt dabei heraus? Potenz spielt in der Ehe die Rolle der Masern: Man muß sie einmal gehabt haben — das nur nebenbei — wo aber bleibt der Brust-an-Brust-Kampf, sportlich gesehen, dieses Sich-gegenseitig-Hochsteigern, mal liegt der eine vorne, mal der andere, dieses Miteinanderwachsen, das allein es ermöglicht, die Tage zu füllen, die Jahre auszuhalten, weil hier die Zweisamkeit gestaltet und aus dem gutgemeinten, aber doch tumben Eheringniveau herausgehoben wird. Das ist natürlich anstrengender, aber schön!« Er legte die Zigarre weg. »Glaubst du im Ernst, daß dieses reizende Kind dich zu dir zwingen kann?«
Jetzt war Lukas ganz Purzel. Huberts Worte erinnerten ihn an seine Lobpreisung der reifen Frau. »Sucht euch Männer, die euch überlegen sind«, hatte er gesagt. »Sucht euch Frauen, die euch zu euch zwingen«, sagte Hubert. Es war die Kehrseite derselben Medaille. Er hatte die Frauen mit dem Standpunkt des Mannes zu trösten versucht, und jetzt kam Hubert und beunruhigte ihn mit einer anderen Version. Er wollte widersprechen, weil er fühlte, daß Hubert recht hatte, doch weil Hubert recht hatte, konnte er es nicht. Ohne Luischen dachte er selber so. Seine Logik saß fest und drängte über das Gefühl zum Ausbruch.
»Warum bist du eigentlich nicht verheiratet, alter Klugscheißer?«
»Ich habe die Frau nicht gefunden. Auch das ist eine Gnade.«
»Oder eine Ausrede. — Kathi, zahlen!«
Hubert griff wieder zur Havanna.
»>Im Trotz der Jünglinge gewahren wir den Schöpfer am Werke!< sagt Hrabanus.«
Luischen hatte ihre Tante belogen. Sie wolle das Wochenende bei Freunden auf dem Lande verbringen, hatte sie gesagt. Babette brachte ihr den Koffer hinunter, Luischen stieg in ein Taxi und fuhr los. Es regnete in Strömen. Hinter der nächsten Ecke ließ sie anhalten. Lukas stand mit seinem Wagen da. Sie bezahlte den verständnisvoll nickenden Fahrer und stieg um.
»Zu Herrn Dornberg bitte!«
»Sehr wohl. Der Herr wird sich freuen«, antwortete Lukas.
Ungesehen erreichten sie das Zimmer. Alma, Gustl und Dogge Marina schienen beschäftigt; auf den Asconahockerchen im Korridor saß ausnahmsweise kein Yogajünger. Es war zwar mitten am Vormittag, trotzdem wollte Lukas seinen Vermieterinnen nicht allzuviel Einblick in sein Privatleben gewähren.
»Hübsch hast du’s hier, Purzel«, lobte Luischen. »Solche Stühle haben wir auch.«
»Der ist noch von zu Hause.«
Die Milieuverbindung tat beiden gut. Sie packte ihren Koffer aus.
»Schau, was ich dir mitgebracht habe!« Sie hielt einen hölzernen Affen mit beweglichen Armen und Beinen in der Hand. »Das ist Herr Brausemüller. Den setzt du auf deinen Schreibtisch, dann paßt er auf und bringt Glück. Wirst schon sehen!«
Lukas bedankte sich verständnisvoll und nahm sie in den Arm. Doch sie machte sich wieder frei, um weiter im Koffer zu kramen.
»Was hast du denn jetzt schon wieder?«
»Platten«, sagte sie. »Mach mal das Ding an.«
Lukas schaltete den Plattenspieler ein, Luischen legte eine Platte auf und sang strahlend mit. Auf englisch. »Woher kennst du den Text?«
»Ach, ich hab’s einfach so lange gespielt, bis ich ihn konnte. Die in der Akademie können noch viel mehr Texte, die gehen auch immer in die Jazzklubs. Aber ich mag diese Räucherhöhlen nicht. Da kauf’ ich mir lieber die Platten.«
»Wenn’s dir Spaß macht...«
Das Mittagessen bestritten sie aus Vorräten. Luischen hatte von ihrer Tante eine große Futtertüte für die vermeintliche Bahnfahrt mitbekommen, Lukas steuerte noch eine Dose Ravioli bei, die er in der
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