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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Küche wärmte. Draußen der plätschernde Regen, drinnen das Surren des Heizofens, da saßen sie und futterten — ein Wochenende für Verliebte. Etwas zärtlicher könnte sie sein, dachte Lukas, aber das würde sich mit der Zeit schon geben. Schließlich war alles noch neu für sie.

    Die Stunde nach dem gemeinsamen Erwachen stellt für jeden Untermieter eine harte Prüfung dar. Er lauscht den Geräuschen auf dem Korridor, um daraus Schlüsse über die Unternehmungen seiner Vermieter zu ziehen. Unter der Woche ist das relativ einfach, der Haushalt läuft seinen gewohnten Trott. An Sonn- und Feiertagen aber fühlt er sich der Willkür preisgegeben. Die Zeit zerrinnt in unzärtlicher Duldung, man kann nur flüstern und hält, trotz abgeschlossener Tür, jedesmal, wenn draußen jemand vorbeigeht, den Atem an. Doch dann kommt der Moment, da die Gefährtin der Nacht mit Nachdruck der Toilette begehrt. Heroisch schlüpft der Untermieter in seinen Bademantel, gibt Anweisung, sofort hinter ihm abzuschließen und erst auf Räusperzeichen wieder zu öffnen, lauscht an der Tür, bis alles ganz ruhig, und huscht dann zum Spähtrupp hinaus.
    Nun gilt es, nicht durch allzu munteren, den sonstigen Gewohnheiten widersprechenden Gutenmorgengruß Verdacht zu erwecken. Gewitztere Logisherren bevorzugen es daher, direkte Gespräche anzubahnen, in deren Verlauf sie sich dann, unter Heuchelung von Interesse, nach den Plänen ihrer Wirtsleute erkundigen. Wichtig ist hierbei wiederum, die Unterhaltung nach Kenntnisnahme des Programms nicht sofort abzubrechen, sondern in einen Witz auspendeln zu lassen. Abrupter Rückzug erregt immer Verdacht.
    Ferner scheint es ratsam, sich vor der Rückkehr bereits mehrere Male zu räuspern, da ein zu plötzlicher Hustenanfall vor der verschlossenen Tür fürsorgliche Wirtinnen leicht zu samaritärer Penetranz verleitet, die dann mitunter bis ins Zimmer führt.
    Lukas, um die Strategie des Abhängigen wissend, kämmte sich zuerst und putzte seine Zähne. Dann entlockte er Gustl am anderen Ende des Korridors auf dem Umweg über Wetter, Gott und den Solarplexus das Programm, tätschelte Marina, die Dogge, begab sich zurück in die Küche, um Alma chevaleresk das Frühstücksgeschirr abzutrocknen, und kehrte erst nach einem Abstecher auf die Toilette zu seinem, seiner in schmerzhafter Verhaltung harrenden Luischen zurück.
    »Wir haben Glück. Sie gehen zu einer Feier in die buddhistische Gemeinde.«
    Noch ein tröstliches Streicheln, die Wohnungstür fiel ins Schloß, der Weg war frei. Es hatte etwas Rührendes, wie Luischen verschlafen und unfrisiert in Lukas’ viel zu großem Morgenrock über den Korridor lief. Und zum erstenmal im grellen Tageslicht einander preisgegeben, stiegen sie ins Bad.
    »Du bist jetzt Hasso und wirst abgeseift«, befahl Luischen.
    »Bitte, wer bin ich?«
    »Hasso, unser Hund. Kusch dich!«
    Hasso kuschte. Selbstvergessen bewegte sie die Bürste auf seinem Rücken, im Rhythmus des Schlagers, den sie dazu sang. Doch nicht nur, daß es ihr nicht gelingen wollte, das bei Jazzsängerinnen so beliebte Flattern der Stimme zu kopieren, sie verwechselte auch ständig moon mit noon und head mit hat, was den Text aus dem lyrischen Kunsthonig in die Gefilde eines dichterischen Modernismus hob. Allein der Wanne Wonne währte nicht lange; unvermittelt klopfte es an die Tür.
    »Herr Dornberg«, ließ sich Gustls freundliche Stimme vernehmen, »ich lege Ihnen hier ein zweites Frotteehandtuch auf die Klinke.«
    »Danke«, entfuhr es Lukas. Zu spät bemerkte er, daß er damit die plätschernde Zweisamkeit verraten hatte. Dieser Toleranz war er nicht auf Anhieb gewachsen. Gustls Schritte entfernten sich; Luischen lag bis zum Hals im Wasser; die Wohnungstür fiel erneut ins Schloß.
    »Jetzt können wir nur noch Haltung bewahren«, sagte er.

    Am Nachmittag klopfte Alma — sie waren bereits allergisch gegen das Geräusch — an die Tür und lud sie zum Tee ein. Luischen wurde krebsrot.

    Der Matriarch im unvermeidlichen Kutscherkittel ging ihnen entgegen, wie es sich für den Herrn des Hauses gehört. Wie immer roch es nach Räu cherstäbchen, ein Duft, der das sonst so scheue Luischen zu faszinieren schien. »Ich habe ein Hühnchen mit Ihnen zu rupfen, Herr Dornberg«, polterte die Baronin. Lukas schwante Schreckliches, und Luischen griff nach ihrem Taschentuch.
    »Wie konnten Sie uns ihr reizendes Fräulein Braut so lange vor enthalten?«
    Aufatmend erinnerte er sich der Worte Huberts, wonach

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