Bekentnisse eines möblierten Herren
eisgestörten Organismus eine ebenso laute wie unkontrollierbare Mißfallensäußerung aus.
»Entschuldige«, sagte er, zutiefst peinlich berührt.
Doch die Prinzessin reagierte gänzlich unkonventionell, sie bog sich vor Lachen.
»Findest du das so komisch, wenn mir das Eis nicht bekommt?«
»Genau wie mein Vater«, rief sie, indes ihr die Tränen herunterliefen. Lukas kannte den Typ des urigen Aristokraten, der Verstorbene wurde ihm greifbar und sympathisch zugleich. Im übrigen empfand er das Naturereignis als Wink des Schicksals, als internistische Überbrückungshilfe. Alle Hemmungen waren beseitigt, der Raum erobert.
»Zieh doch dein Kleid aus, du zerdrückst ja alles«, riet er sachlich, drehte sich weg, um Hemd und Hose auszuziehen. Dann lag sie unter der Decke, er neben ihr darauf, den Arm zur Nackenrolle ausgestreckt.
»Ist das nicht besser, als jetzt irgendwo in der Sonne zu braten?«
Sie rührte sich nicht, dachte aber fühlbar nach. »Mußtest du uns ein tragen, unten?«
»Natürlich.«
»Und? Was hast du geschrieben?«
»Der Einfachheit halber >Lukas Dornberg und Frau<.«
Lange Pause.
»Frau Marie-Luise Dornberg!« buchstabierte sie kindlich,«klingt wahnsinnig bürgerlich.«
Mit gespielter Empörung stürzte er sich auf sie und begann sie zu schütteln.
«Keine Beleidigung meiner sozialen Stellung bitte!«
»Aua!«
»Ich bin ehrbarer Leute Kind«, fuhr er fort. »Ich hatte eine Spielecke ganz aus Marmor.«
»Ach, deine Mutter war wohl Köchin? Mit Alabasterküche! — Aua!«
Da lag sie unter der verrutschten Decke, quietschend, ohne jede Scheu. Lukas schlüpfte neben sie.
»Ich sag’ es ja, der Adel zerbricht an seinen Vorurteilen. Ganze Schiffsladungen von Prinzessinnen sehnen sich danach, in meinem Arm zu liegen, und du spottest meiner Sippe!«
»Aua!«
Er nahm sie bei den Schultern und drehte sie um. Sie sahen einander an. Es war jetzt ganz still.
Und als sie im Kuß die Arme um ihn schlang, ließ Bürger Dornberg sie seiner teilhaftig werden. Ohne schlechtes Gewissen. Er liebte sie. Sylvia drängte sich ins Bild. Er wollte gar nicht an sie denken, doch er dachte. Da kam auch noch Daniela. Was hatte sie heute morgen gesagt? »Paß auf, du bist kein Mann für junge Mädchen!« Das konnte er nun gar nicht finden. Wie kam sie überhaupt darauf? Seine eigenen Worte fielen ihm wieder ein: »Vollendung beginnt bei fünfunddreißig!«
Endlich verschwand der Spuk in heiterem Nebel.
»Na, Frau Dornberg, noch immer Vorurteile?«
Sie schnurrte verschlafen. Zärtlich zog er sie an sich. »Ich mag es, wenn du mich anfaßt«, sagte sie.
»Ich auch.«
Er streichelte ihren Rücken. Sie atmete tief.
»Ich wußte, daß du es sein würdest. Schon seit damals in dem komischen Lokal.«
Lukas hatte eine ursprüngliche Scheu vor Sentimentalitäten — Tod der Liebe — und floh in die Ironie.
»Das ehrt mein Bürgerherz natürlich ungemein.«
Sie setzte sich auf.
»Es war eigentlich gar nicht so schlimm…«
Lukas stutzte.
»Wie darf ich das verstehen?«
Sie schien seine Frage zu überhören.
»Und gestern hast du mich die ganze Nacht allein gelassen!«
In Sekundenschnelle rekapitulierte Lukas seine Gedanken auf der Luftmatratze neben Sylvia. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, sagte er sich: Entweder ich bin hoffnungslos altmodisch, oder ich bin ein Trottel!
Und er entschloß sich zum letzteren.
Aussagen des Portiers zufolge blieben Durchlaucht und Durchlaucht über Nacht: »Nach einem Bad im Moorweiher aß das Paar mit erstaunlichem Appetit zu Abend und zog sich alsbald zurück. Das Frühstück nahmen die hohen Herrschaften im Bett: einmal Tee komplett, drei Eier im Glas; einmal Orangensaft, Sardinen und Halbgefrorenes. Gegen elf ließen sie das Gepäck herunterschaffen und verlangten eine Verbindung mit der Kunstakademie. Vor der Abfahrt gaben Durchlaucht mir noch ein standesgemäßes Trinkgeld. Eingetragen haben sich Seine Königliche Hoheit auf den Namen >Dornberg<. Daß Fürstlichkeiten ab und zu inkognito reisen, sind wir ja gewohnt; man weiß trotzdem gleich, wen man vor sich hat. Die Krone auf dem Koffer war nicht zu übersehen. Man kennt schließlich seine Gäste.«
Luischen und Purzel — wie sie sich zu seinem gelinden Leidwesen seit der Heimfahrt nannten — kamen aus dem Theater. Sie hatten, auf ihren Wunsch, eine jener »Lässige-Eleganz-Komödien« genossen, mit denen England seit Jahrzehnten die kontinentalen Boulevards heimsucht. Aus eigenem Antrieb hätte Lukas
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