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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Nachahmung weiter.«
    »Unter dem Motto: Bring Sonnenschein in deine Nächte! Diskretion Nebensache!«
    »Keine kopulatorischen Tabus mehr!« rief er im Ton eines Werbesprechers, »Sättigung verständlicher Neugier!«
    Das Radio spielte den »Einzug der Gladiatoren«. Sie mußten lachen; er goß nach.
    »Sprich, Hüllenlose! Nichts wirkt beruhigender als veralberte Erotik.«
    Sie überlegte und mußte wieder lachen.
    »Eine Freundin von mir hat einen Mann »Das soll vorkommen.«
    »...der will sie immer nur spärlich bekleidet fotografieren, und sie muß mit Schleiern vor ihm tanzen…«
    »Aha, der sogenannte Trocadero-Teil!«
    »...und nachher, wenn sich absolut nichts mehr ereignet, will er auch noch hören, wie wundervoll er sei.«
    »Die vollbeschäftigte Geliebte! Eine Folge der Gleichberechtigung.« Sie beugte sich vor und nahm eine Zigarette. Lukas gab ihr Feuer und mußte niesen.
    »Um Gottes willen, deck dich zu!«
    Folgsam kroch er unter die Decke. Sie blieb sitzen.
    Es entstand eine Pause.
    »Und was, glaubst du, ist bei uns gemeint?« fragte sie leise.
    Er sah zu ihr hinauf.
    »Schau mir nicht so auf den Busen. Ich weiß, daß er dir nicht gefällt.«
    Lukas dachte nach, sie mußte sich selbst einschenken. »Ja, was ist bei uns gemeint?« wiederholte er. »Um ganz ehrlich zu sein, und das wollen wir doch: alles und nichts!«
    Die Stimmung hatte umgeschlagen. Die südamerikanischen Rhythmen aus dem Radio wurden unerträglich. Sylvia starrte an die Decke, stieg dann über ihn hinweg, schaltete aus und löschte das Licht.
    »Schau, wir verstehen uns wunderbar«, versuchte er zu erklären, »du bist die hilfsbereiteste und kameradschaftlichste Frau, die ich kenne, du warst rührend, wie du mich gepflegt hast, das werde ich dir nie vergessen Sylvia, aber... du mußt das verstehen... ich meine, so wie wir sind, wenn wir zusammen sind, da wird es doch klar... gewiß, wir haben auch viele gemeinsame Interessen, nur... was machst du denn?«
    »Ich gehe«, klang es aus dem Dunkel.
    »Aber Sylvia…«
    »Leb wohl!«

    Wenn nach einem gewissen Quantum starker Eindrücke die Verschnaufpause eintrat — ein Rhythmus, der Lukas bislang verborgen geblieben war — , zog er Zwischenbilanz. Es war wieder soweit.

    19. August: Das Fieber geht zurück. Weltanschauung ist eine Temperaturfrage.
    Besuch bei Hoheit war sehr lehrreich. Beängstigend, was sich da hinter der Bezeichnung »Mutterliebe« an egoistischer Bösartigkeit verbirgt. Und noch immer kein Lebenszeichen von Marie-Luise. Bin ich eigentlich traurig oder nur enttäuscht?

    22. August: Hubert kam und hat die Weiche gestellt; bin wieder in meinem Gleis. Endlich kann ich vor mir zugeben, daß er recht hatte.

    Adel: Hinter der Attitüde des Kultivierten im Grunde desinteressiert. Er verdankt seine Existenz dem Heldentum. Heldentum ist Adel der Dummheit.

    Immer noch keine Nachricht von Marie-Luise. Wenn es nur nicht so heiß wäre.

    23. August: Sylvia pflegt mich rührend. Aber sie belädt mich mit neuem Schuldgefühl.

    24. August: Marie-Luise war da. (4 Minuten!) Formvollendete Kälte; der Mensch ein Produkt seiner Umgebung. Bürger Dornberg wird nicht mehr gebraucht.

    Nicht die Maus, das Loch ist der Dieb.
    (Nicht von mir, chinesisch.)

    26. August: Sylvia und ich: Was war gemeint? Tut mir leid, daß ich sie enttäuschen mußte. Sie ist es nicht. Ihre Aufopferung war berechnet. Bisher meine ehrlichste Trennung.

    Und einige Zeit später schrieb Lukas das traurige Ereignis nieder. Sicher hatte er es mit ausgelöst, doch fühlte er sich nicht schuldig — nicht mehr.

    Kurswechsel Sylvias. Jetzt in Lebensgemeinschaft mit einer Schülerin Gustls. Unnötige Klimakteriumsahnung, dieses Nicht-allein-sein-Können nach ein paar Enttäuschungen. Wer hat die nicht?

    Ich werde mich doch nach einer Wohnung umsehen.

3

    Es gibt eine Art, gutes Meublement durch Anordnung und Beiwerk mit einer mondänen Soße zu überziehen, die jedes Stück seines Charakters beraubt. Velours- und seidengedämpft verschwimmen edle Konturen in pastellgetöntem Kultursex; Madonnen und Perserbrücken atmen ölbeheizte Wohlhabenheit. Frau Direktor Müller-Passavant, die bei Golf und Turf gleichermaßen bekannte ehemalige Lilly Passavant, lehnte in malvenfarbenem Cocktailkleid aus Organza-Glace am zweimanualigen Cembalo. Daneben Gottvater, süddeutsch, ungefaßt.
    »Bitte etwas mehr nach rechts schauen«, sagte Daniela und knipste.
    »Danke. - Und jetzt das Bild am Kamin. Würden Sie dazu

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