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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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bitte einen Hausanzug anziehen.«
    »Gerne... was halten Sie von Grün?«
    Daniela sah hinüber. Straßburger Bergere mit Pointbezug, Kamin aus rotem Klinkerstein, darüber der echte Watteau.
    »Ja, das gibt einen schönen Kontrast.«
    »Dann trinken wir aber endlich Tee«, lächelte Frau Müller-Passavant und verließ den Raum.
    Daniela hatte von der Gesellschaftszeitschrift »Kultur und Kunst« den rentablen Auftrag, Frauen bekannter Persönlichkeiten in ihrem Heim zu fotografieren. Frau Direktor Müller-Passavant war für die große Herbstsondernummer vorgesehen. Drei Seiten in Farbe, zwischen dem Pariser Mode-Kiebitz und der Serie Regisseure bei der Arbeit. Sie setzte sich auf das kleine Damensofa vor dem versenkbaren Gartenfenster und sah auf die Uhr. Vier Stunden arbeitete sie schon, das Mittagessen nicht mitgerechnet. Sie legte einen neuen Film ein, überprüfte ihre Unterlagen für die Untertitel und hakte ab.
    Haus von der Straßenseite: nur Obergeschoß hinter der Mauer sichtbar; Pappeln rechts und links. — Haus von der Gartenseite: Rosenbeete, Terrasse mit Außenkamin, darüber Schlafzimmerterrasse mit orangefarbener Markise, Pappeln. —
    Entree: Russischgrün, weiße Bodenplatten, großer Spiegel, Frau M-P im Silbernerz (in Spiegel weiße Treppe mit grünem Läufer, St. Petrus mit Schlüssel, lebensgroß, ungefaßt). —
    Schlafzimmer: (altrosa) Chinateppich, Barockbett, Toilettentisch (altrosa Volant), Venezianischer Spiegel, Putten, Schrankkommode (Boule), darauf Anna Selbdritt, Lindenholz, gefaßt, Frau M-P: Dressing-gown, moos-grün-champagner. —
    Diele (oben): grün-weiß. Blumengießen (Rhododendron) Frau M-P: rote Hose, maisgelbe Bluse, mattgrünes Kopftuch, passende Handschuhe. Auf Treppenabsatz: Immaculata, süddeutsch, 18. Jh.-
    Kinderzimmer (Disney-Tapete): Tochter Andrea bei Schularbeiten: (Blue jeans, roter Pulli); Frau M-P hilft ihr: klassisches Chemisé russischgrün-lila ; rosa Stoffelefant. —
    Terrasse: Strandkomplet hawaiianisch, gemustert mit Bolero, weißes Telefon, Saint-Tropez-Liege, orange; St. Florian (Stein, halbhoch). —
    Küche: (bunt, pastell) Mädchen: schwarzes Kleid, weißes Häubchen; Frau M-P gibt Anweisungen (Jerseyjumper, bindfadenfarben, weinrote Cocktailschürze). — Am Aachener Vitrinenschrank: (Gläser aussuchend) cognacfarbener Shantung-Satin mit halsferner Ausschnittblende; Kupferkessel mit Blattpflanze, Madonna mit Kind. —
    Eßzimmer (Louis seize): Vorhänge apfelgrün; Foulard-Imprimé (goldbraun-beige-ziegelrot), Madonna ohne Kind. —
    Am norddeutschen Schreibsekretär: (schreibend) chinesische Bodenvase, Twinset, kamel, Schottenrock; St. Meinrad mit Krummstab, 18. Jh. —
    Englisches Sofa (liegend, lesend) dahinter Empire-Schreibtisch; gelbes à-jour mit Capekragen (uni), Barockfauteuil, Verkündigungsengel. —
    »So!«
    Frau Müller-Passavant kam zurück. Nicht umsonst genoß die Farbe Grün eine Bevorzugung in diesem Hause, es stand ihr wirklich ausgezeichnet. Der schmale, fast südländische Kopf mit der geraden Nase, den großen blauen Augen und dem blauschwarzen Haar, herausfordernd einfach frisiert; der besonders hübsche Hals, zarte, sehr ausdrucksvolle Hände; für mitteleuropäische Verhältnisse sehr kleine Füße. Das alles reckte sich grazil aus einem durchgehenden, fast hautengen Anzug, die sehr gestreckte Figur abzeichnend, der man niemals eine zwölfjährige Tochter zugetraut hätte. Eine der wenigen Frauen, die in diesem Alter auch von hinten noch Hosen tragen können, dachte Daniela und placierte die straffe Eleganz auftragsgerecht in die Bergere.
    »Etwas weiter zurück bitte! Sie überschneiden sich sonst mit dem Christophorus.«
    Verhaltenes Lächeln. Knips.
    »Danke!«
    »So, nun wollen wir aber endlich Tee trinken.«
    Kaum gesagt, erschien das Mädchen — schwarzes Kleid, weißes Häubchen — mit einem herrlichen englischen Empireservice. Sie nickte artig, passierte Gottvater in Richtung Verkündigungsengel und stellte das schwere Silbertablett auf dem Tisch vor dem großen Sofa, gegenüber der Bücherwand, ab.

    »Danke schön, Gerda! — Ist doch anstrengend, dieses Posieren. Man sollte es nicht glauben. — Bitte!«
    Daniela setzte sich auf das geblümte Sofa, in den Barockfauteuil die Dame des Hauses.
    »Wir nehmen nur Kandiszucker, der stört das Teearoma nicht«, erklärte sie mit einem Lächeln. Daniela nahm und versuchte.
    »Tatsächlich! Ganz ausgezeichnet der Tee.«
    »Mein Mann hat viel in Holland zu tun. Da

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