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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Auto noch einmal umdrehte. Dann gab er Gas, die Besserungsanstalt verschwand.
    »Trinken Sie das!«
    Er zuckte zusammen. Alma stand vor seinem Bett und reichte ihm den Vitamincocktail. Im Fieber hatte er seine Abreise noch einmal erlebt.
    »Danke.«
    Dann kam Donicke, der erfolgreiche Kollege ohne Einfälle. Donicke war gesund und schnappte ihm einen Auftrag weg. Doch es störte ihn nicht.
    »Ich muß Sie bitten, allein zurückzufahren. Marilou bleibt hier«, erklärten Hoheit. Sie stand in einem langen schwarzen Gewand auf der Terrasse von Haus Fanni. Daneben lag Hubert in einem Liegestuhl und schimpfte: »Tradition ist Schlamperei, Tradition ist Schlamperei.« Lukas stieg in seinen Wagen — es war der Sportwagen von Ahnfried — und fuhr los. Unterwegs mußte er anhalten. Der Molch saß da und zwang ihn, Mandalas zu malen, bis Alma und Gustl den Reiswein brachten.
    »Trinken Sie! Sie müssen schwitzen. Schwitzen ist gesund!«
    Er trank und schwitzte.
    »Faß mich nicht an, du schwitzt so«, sagte Marie-Luise.
    »Das hat er bei mir auch immer«, lachte Renate neben ihr.
    Hand in Hand liefen sie weg und ließen ihn liegen und schwitzen. Hubert ging draußen am Fenster vorbei und sah amüsiert herein. Er rief ihn nach Leibeskräften, aber Hubert hörte nicht und schritt weiter. Nach kurzer Zeit kam er zurück, schaute abermals herein und ging weiter. Es war entsetzlich! Kein Mensch nahm Notiz, alle Welt ließ ihn im Stich. In seinem Atelier saß Donicke an dem großen Zeichentisch, spielte mit Luischens Menagerie und sagte, wenn jemand anrief: »Alle Aufträge für Herrn Dornberg gehen jetzt an mich, an mich, an mich!«
    Endlich kam Daniela. Er streckte die Arme nach ihr aus. »Nanu, so intim sind wir nicht«, sagte Sylvia und legte ihn in die Kissen zurück. Alma brachte einen Vitamincocktail.
    »Wie geht’s ihm denn?«
    »Seine Stirn ist noch ganz naß«, antwortete Sylvia.
    »Er sieht aber schon besser aus als gestern. Ich stell’ das Glas dahin.«
    Alma verließ das Zimmer. Sylvia nahm ein Taschentuch und wischte ihm die Stirn ab. Draußen ging Hubert wieder vorbei und schaute herein. Plötzlich ein stechender Schmerz.
    »Komm, halt still«, sagte Sylvia. »Sonst kann ich dich nicht messen.«
    »Sylvia?«
    Sie sah ihn an.
    »Verdient hast du es nicht. Aber wenn sich sonst niemand um dich kümmert...»
    Er wollte sich auf den Rücken legen, doch sie hielt ihn bei den Schultern fest.
    »Vorsicht. Das Thermometer!«
    »Bist du schon lange da?«
    »Eine ganze Weile. Du hast fest geschlafen.«
    Lukas mußte niesen. Jetzt war er wach.
    »Woher wußtest du überhaupt...?«
    »Ich hatte Stunde bei Gustl »Du? Du bist bei Gustl?«
    Sie nickte.
    »Durch Ines. — Irgendwo muß der Mensch ja mit sich hin.« Mit der selbstverständlichen Vertrautheit einer ehemaligen Geliebten holte sie sich das Thermometer.
    Der Temperaturpegel gefiel ihr offensichtlich nicht.
    »Ich stecke dich nachher in ein heißes Bad. Dann schwitzt du noch mal ordentlich.«
    Was sie anordnete, geschah. Sie wollte pflegen, und er ließ sie gewähren. Was war sie für ein Mensch, diese Enttäuschte, Betrogene, Nichtbeachtete, Herumgeschubste! Sylvia kam täglich, versorgte ihn, fuhr in sein Atelier, um nach Post zu sehen, erledigte Telefonate, bekochte ihn und machte sein Bett. Fast schien es ihm manchmal, als habe sie nur auf seine Krankheit gewartet, um endlich eine Aufgabe zu haben. Daß sie ihn lieben könnte, daran dachte er nicht. Für sich selbst erwartete sie gar nichts, keine Anerkennung, keine Zärtlichkeit, sie wollte nur einen Menschen, der sich von ihr umsorgen ließ. Das Fieber ging zurück, aufstehen durfte er aber noch nicht. Doch dank ihrer Hilfe dirigierte er seinen Beruf vom Bett aus. Sylvia erledigte alles zu seiner größten Zufriedenheit. Er hörte keine Klage, keine Frage. Und auch von Marie-Luise hörte er nichts.
    Dann kam Hubert.
    »Ja, Purzelchen, hast du dich in die Krankheit geflüchtet?«
    »Ich habe bei offenem Fenster geschlafen«, verteidigte er sich in rückfälligem Tonfall.
    »Sehr gesund! Wo?«
    »Zu Hause bei Marie-Luise.«
    »Noch besser! Für eine ausgeglichene Psyche kein Grund, die Segel zu streichen.«
    »Hast du eine Ahnung, wie kalt das nachts auf dem Lande schon ist. Wir Städter...«
    »Schon gut! Erzähle! Wie war’s im neunzehnten Jahrhundert?« Huberts Unbeirrbarkeit und sein Mangel an konventionellem Mitleid taten ihm wohl. Er erzählte. »Siehst du jetzt, wie lebensentscheidend das Dasein als

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